In den vergangenen Wochen haben Aktive des Grundrechtekomitees die Wahlprogramme aller größeren Parteien analysiert. Mit einem Fokus auf die Bereiche Überwachung, Asylpolitik, Militarisierung und Sozialpolitik haben wir insbesondere solche Vorhaben der wahrscheinlichen Regierungsparteien herausgearbeitet, die aus grundrechtlicher Sicht besonders problematisch sind. Unsere Analysen zeigen, welche Projekte eine kommende CDU-geführte Bundesregierung vorantreiben könnte. Sie zeigen somit auch, auf welche (Abwehr-)Kämpfe sich emanzipatorische Kräfte einstellen müssen. Die vier Analysen finden sich online hier:
Die nächste Law-and-Order-Offensive? Erwartungen für das Feld staatlicher Überwachung nach der Bundestagswahl 2025 [pdf]
Das Ende des Asylrechts? Migrations- und asylpolitische Projekte in den Programmen zur Bundestagswahl 2025 [pdf]
Aufrüstung ist hegemonial. Verteidigungs- und militärpolitische Projekte in den Programmen zur Bundestagswahl 2025 [pdf]
Arbeitspflicht & Almosen. Sozialpolitische Positionen in den Programmen zur Bundestagswahl 2025 [pdf]
In der Zusammenschau der Wahlprogramme ergibt sich eine zentrale Erkenntnis: Die vier Parteien der sogenannten »demokratischen Mitte«, also CDU/CSU, FDP, SPD und Grüne, die aus kritischer Sicht vielleicht eher als »neoliberaler Block« zu bezeichnen wären, sind sich in Bezug auf viele Politikfelder in den grundlegenden Richtungsfragen einig. Zugleich bestehen mindestens zwei größere Differenzen dazu, wie mit den Folgen der gegenwärtigen Vielfachkrise umgegangen werden soll.
Grundlegende einig oder zumindest einigungsfähig scheinen die vier Parteien in einer Reihe von Projekten zu sein: dem Ausbau staatlicher Überwachung (biometrische Kameraüberwachung, womöglich Vorratsdatenspeicherung), eine Verschärfung der Asyl- und Grenzpolitik (u.a. Externalisierung des Grenzregimes, GEAS-Internierungslager an den EU-Außengrenzen, mehr Lager- und Gefängnisunterbringung für Schutzsuchende, mehr Abschiebungen) sowie Mehrausgaben für Verteidigungs- und Militärpolitik (radikale Aufrüstung und schrittweise Vergrößerung der Bundeswehr, fortgesetzte Waffenlieferungen an die Ukraine, Ausbau der Rüstungsindustrie in europäischer Kooperation).
Relevanter Dissens scheint zwischen CDU/CSU und FDP einerseits sowie SPD und Grünen andererseits gegenwärtig vorrangig in zwei Bereichen zu bestehen, die beide den Umgang mit Folgen der Vielfachkrise betreffen. In der Wirtschafts- und Sozialpolitik strebt keine der vier Parteien einen Bruch mit neoliberalen Grundprinzipien an, wie etwa Die Linke es tut. Allerdings sind die vier Parteien uneins darüber, ob eine Reform der Schuldenbremse nötig ist, um die Kosten der Krise, Investitionen in die Infrastruktur und militärische Aufrüstung zu finanzieren. Dissens besteht zudem darüber, dies hat das Ende der Ampel-Koalition gezeigt, durch welches Ausmaß von Verschärfungen des Sozialabbaus, des Arbeitsrechts und der Deregulierung die Krise der deutschen Wirtschaft und ihrer niedrigen Wachstumsraten bekämpft werden soll.
In der Asylpolitik sind sich die Parteien des neoliberalen Zentrums zwar einig darin, den Zugang zu Asylverfahren einzuschränken und mehr Abschottung und Abschiebungen durchzusetzen. Streit herrscht jedoch in der Frage, wie hart mit grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Prinzipen gebrochen werden soll, um die Abschottung voranzutreiben. Die CDU/CSU ist, getrieben von der AfD und unterstützt von FDP und BSW, dazu bereit, Grundgesetz, Europarecht und internationale Abkommen zu brechen, um zu verhindern, dass Menschen in Deutschland ihr Recht auf Asyl und Schutz realisieren können.
Die Bruchlinien einer künftigen Regierungskoalition könnten somit zentral in der Wirtschafts- und in der Asylpolitik liegen. Aus emanzipatorischer Perspektive gilt es in den absehbaren Abwehrkämpfen gerade an diesen Bruchlinien und Widersprüchen im »herrschenden Block« anzusetzen.