Ante P. verstarb genau heute vor zwei Jahren durch einen Polizeieinsatz auf dem Marktplatz in Mannheim. Die Schwester des Verstorbenen veröffentlicht nun einen offenen Brief an den Innenminister und den Vorsitzenden des Ausschusses des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen. Ulli Hockenberger, der Vorsitzende des Ausschusses, antwortet der Schwester Antonia P. und kündigt ein persönliches Treffen nach der Sitzung im Innenausschuss über die besonderen Herausforderungen der Polizei im Umgang mit psychisch auffälligen Menschen Anfang Juni, an.
Das Landgericht Mannheim hatte Anfang März einen Polizisten verurteilt und einen zweiten freigesprochen. Der Richter machte deutlich, dass Ante P. ohne den Eingriff der beiden Polizisten nicht gestorben wäre. Im offenen Brief beklagte Antonia P. dennoch: „Das Land Baden-Württemberg lässt uns im Stich!“
Bis heute fehle eine öffentliche Entschuldigung bei der Familie durch Polizeipräsidium Mannheim, Landespolizei Baden-Württemberg, Gewerkschaft der Polizei Baden-Württemberg, Oberbürgermeister der Stadt Mannheim, Innenminister oder Ministerpräsidenten. Im Brief heißt es weiter: „Es sind in Polizeieinsätzen allein in Mannheim während der letzten anderthalb Jahre drei Menschen zu Tode gekommen. Wer ist hier in der Verantwortung, etwas zu unternehmen, damit das aufhört!“
Die Familie von Ante P. legte gegen das Gerichtsurteil Revision ein, die zurzeit geprüft wird. Die Schwester äußert sich zu dem Verfahren: „In der erstinstanzlichen Verhandlung wurden fortwährend diskriminierende und stigmatisierende Aussagen gegenüber psychisch kranken Menschen getätigt. Dies und die Vorgehensweise gegenüber meinem Bruder als psychisch behindertem Menschen verstößt gegen die EU Behindertenrechtskonventionen.“
Als Beispiel für die Diskriminierung führt sie aus: „[…] mein Bruder [soll] eine Gefahr für die Öffentlichkeit dargestellt haben. Diese Behauptung dient schlichtweg dazu, ein falsches Bild in der Öffentlichkeit zu zeichnen [...]“.
Die Polizei sollte den selbstgefährdeten Ante P. vor zwei Jahren gegen seinen Willen zwangseinweisen, nachdem dieser seinen Arzt aufgesucht hatte. Die Schwester hebt im Schreiben nicht nur den Umgang der Polizei mit psychisch erkrankten Personen hervor, sondern unterstreicht auch die gefährliche Praxis der Polizei, Menschen in Bauchlage auf dem Boden zu fixieren und mit Gewalt niederzudrücken. Laut des Obduktionsberichts von Ante P. führte dies zu einem lagebedingten Erstickungstod. Trotz Versuchen aus der Zivilbevölkerung, die Polizeibeamten auf den Todeskampf von Ante P. hinzuweisen, konnte dessen Tod nicht verhindert werden.
Die Schwester von Ante P. fordert in dem offenen Brief den Innenminister dazu auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die Polizei effektiv zu kontrollieren und den unsachgemäßen Umgang mit psychisch Erkrankten zu vermeiden. Nach einer Studie von dem Wissenschaftler Singelstein handelt es sich in 75 Prozent der Fälle von tödlicher Polizeigewalt in Deutschland um Menschen in psychischen Ausnahmesituationen.
In Gedenken an Ante P. wird die Initiative 2. Mai wir heute auf dem Marktplatz in Mannheim um 18 Uhr am provisorischen Gedenkort Kerzen und Blumen niederlegen.
Offener Brief der Schwester: Offener-Brief-und-Schreiben an-den-Landtag-BW Innenausschuss.pdf
Antwortschreiben Landtag: Antwortschreiben-Landtag.pdf