Ahmed H. wurde 2016 als »Terrorist« in Ungarn zu zehn Jahren Haft verurteilt. Im Juni 2017 wurde das Verfahren aufgrund von Fehlern zurück in die erste Instanz gegeben. Wie bereits im Januar wird Britta Rabe für das Komitee für Grundrechte und Demokratie den Prozess gegen den Syrer Ahmed H. im ungarischen Szeged beobachten: Am 14. März sind die Plädoyers angesetzt, am 19. März 2018 wird das Urteil erwartet.
Gegenstand des Verfahrens sind die Proteste von Geflüchteten am Grenzübergang Röszke (Serbien/Ungarn) am 16. September 2015. Tags zuvor war ein Gesetz in Kraft getreten, das die «illegale Einwanderung», zu einer Straftat machte, die mit bis zu fünf Jahren Haft sanktioniert werden kann. Bis dahin hatten täglich Tausende die serbisch-ungarische Grenze auf ihrem Weg über die «Balkanroute» Richtung Österreich und Deutschland passiert. Dort waren die weiterhin ankommenden Menschen nun blockiert. Auf heftige Proteste folgten Szenen massiver Polizeigewalt.
Ahmed H. wird vorgeworfen, die Proteste angeführt und den Sicherheitskräften mit Gewalt gedroht zu haben, was die Anklage dank des ungenauen «Terrorismus»-Begriffs in Ungarn als «terroristischen Akt» wertet. Grundlage der Verurteilung bildeten damals Aussagen von PolizistInnen, polizeiliche Videos sowie TV-Berichte, die in der zweiten Runde erneut verlesen bzw. vorgeführt wurden. Potentiell entlastende ZeugInnen – JournalistInnen und MitarbeiterInnen von NGOs – waren im ersten Verfahren nicht gehört worden. Der nun erstmals vorgenommene Abgleich der polizeilichen Personenbeschreibungen mit dem vorhandenen Filmmaterial entkräftete die Vorwürfe, Ahmed H. habe den PolizeibeamtInnen verbal oder mit Gesten gedroht. Die TV-Ausschnitte belegen außerdem, dass der Mann zwischen der Menge und der Polizei vermitteln wollte.
Die Regierung unter Premierminister Viktor Orbàn ist an solchen «Details» aber nicht interessiert. Auf ihrer offiziellen Facebook-Seite zeigt sie Fotos der Szenen am Grenzübergang Röszke und proklamiert: «Ahmed H. ist ein Terrorist.» Die enge Verbindung von "Migration" und Terrorismus" bildet nach wie vor ein Hauptnarrativ der ungarischen Regierung. Bereits das Urteil in erster Instanz zu zehn Jahren Haft wegen Terrorismus war klar politisch motiviert. Orbán nutzt es bis heute aktiv zur Legitimation seiner rassistischen Abschreckungspolitik.
Am 8. April finden in Ungarn Parlamentswahlen statt, die für den 19. März angesetzte Urteilsverkündung fällt damit in die Hochphase des Wahlkampfs. Wir appellieren an das Gericht in Szeged, Ahmed H. freizusprechen – unabhängig von politischen Konstellationen.