Seit dem Amtsantritt des schwarz roten Senats, hat sich das stadtpolitische Klima in Berlin drastisch verändert. Anlässlich der Law and Order-Debatte rund um den Görlitzer Park haben wir mit dem Bündnis „Görli zaunfrei“ ein Interview geführt.
Ihr habt euch vor knapp einem halben Jahr gegründet. Was war der Anlass dafür und wie setzt sich euer Bündnis zusammen?
Anlass für die Gründung des Bündnisses „Görli zaunfrei“ war der Entschluss des Berliner CDU-SPD-Senats, den Görlitzer Park mit Toren und Gittern zu versehen und während der Dunkelheit zu schließen. Wir setzen uns zusammen aus Anwohner*innen, politischen Initiativen und sozialen Projekten rund um den Görlitzer Park. Für uns ist der Görli ein wichtiger sozialer Ort, den sich Anwohner*innen Ende der 80er erkämpft haben und den wir uns nicht so einfach wegnehmen lassen.
Der Görli ist eine der wenigen Grünflächen in der Gegend und wir Anwohner*innen und mehrere zehntausend Menschen nutzen den Görli das ganze Jahr: im Sommer zum Sport machen, zum Grillen oder zum Entspannen, im Winter zum Schlittenfahren und bspw. für den Wintermarkt.
Seit Jahren setzen wir uns für Lösungen der sozialen Konflikte ein (zum Beispiel Drogenhandel & -konsum, Obdachlosigkeit, Gentrifizierung und Verdrängung), aber die geplante nächtliche Schließung des Görli löst kein einziges Problem, im Gegenteil: wir befürchten eine weitere Verlagerung in die Wohngebiete und eine Zuspitzung der Situation dort.
Was sind aus eurer Sicht die Ursachen für soziale Konflikte wie Obdachlosigkeit, Drogenkonsum und Drogenhandel in Berlin und insbesondere rund um den Görlitzer Park?
Ursachen sind unserer Meinung nach Armut und gesellschaftliche Aus schlüsse, denn viele der betroffenen Menschen sind nicht krankenversichert, dürfen nicht arbeiten oder sind illegalisiert.
Diese Probleme bestehen nicht nur in Berlin oder im Görli, sondern auch in anderen Städten und haben seit der Covid-Pandemie überall massiv zugenommen. In Berlin ist das zum Beispiel auch am Leopoldplatz im Wedding oder in Teilen von Neukölln zu beobachten. Seit ca. drei Jahren ist auch die Droge Crack mit ihren Auswirkungen besonders präsent. Dazu kommen auch Aspekte wie steigende Mieten, Auswirkungen der Inflation oder Zwangsräumungen.
Was bräuchte es, um diesen Konflikten sinnvoll zu begegnen?
Wir wollen soziale Lösungen für soziale Probleme! Ein Zaun schützt keine Frau vor Gewalt, ein Zaun hilft keiner einzigen wohnungslosen Person, ein Zaun macht die Situation von Drogenkonsument*innen nicht besser und was ein Zaun gegen Drogen handel bewirken soll, ist uns ein Rätsel. Ein Zaun bewirkt nur eine Verdrängung in die umliegenden Wohngebiete und nimmt uns einen weiteren öffentlichen Raum.
Wir als Anwohner*innen fordern des-halb: Der Görli soll nachts aufbleiben. Drogenkonsument*innen müssen entsprechende Hilfen (vor allem Anlaufstellen, Schlafplätze und Konsumräume) zugänglich gemacht werden. Menschen ohne Arbeitserlaubnis sollen eine Perspektive und legale Beschäftigungsmöglichkeiten erhalten. Frauenhäuser, Gewaltschutzambulanzen und gewaltpräventive Projekte müssen ausgebaut und mit entsprechenden finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Darüber hinaus brauchen wir bezahlbaren Wohnraum.
Allein für den Bau des Zauns sind fast zwei Millionen Euro eingeplant, gleich-zeitig hält der Senat bereits zugesagte Gelder für soziale Projekte zurück, beispielsweise für die Obdachlosenhilfe. Wie ist dieses Vorgehen aus eurer Sicht politisch einzuordnen?
Die Strategie, erst im sozialen Bereich zu kürzen und dann auf die zunehmenden sozialen Konflikte mit mehr Polizei, Überwachung und Kontrolle zu reagieren, lehnen wir ab. Populistischer Aktionismus bringt nichts, die finanziellen Ressourcen sollten sinnvoll und zielgerichtet eingesetzt werden! Auch manche Medien tragen dazu bei, einen Diskurs von Unsicherheit und Bedrohung zu erzeugen und den Görli zu dämonisieren.
Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg hat angekündigt gegen die Pläne des Senats zu klagen. Wie seht ihr den weiteren Verlauf?
Wir freuen uns, dass sich der Bezirk – inklusive der lokalen SPD – auf die Seite von uns Anwohner*innen stellt und gegen den Senat klagen will.
Von Beginn an wurde die Öffentlichkeit immer wieder mit falschen Informationen und Zahlen getäuscht und manipuliert. Das nehmen wir nicht hin! Die politisch Verantwortlichen sollten der Einschätzung von Expert*innen folgen, anstatt ihre eigene Agenda auf Biegen und Brechen gegen die Bedürfnisse von Anwohner*innen durchzudrücken. Sollte die Klage des Bezirks keinen Erfolg haben, werden wir als Anwohner*innen alle juristischen Möglichkeiten nutzen, um gegen den geplanten Zaun vorzugehen.
■ Das Interview führte Aaron Reudenbach
Mehr Infos finden sich auf der Webseite https://goerlizaunfrei.noblogs.org.