Für einen Umgang mit Asyl Suchenden, Flüchtlingen und MigrantInnen, der unseren menschenrechtlichen Ansprüchen entspricht!
In der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union erlauben Gesetze und auf ihnen gründende Institutionen und Maßnahmen, mit Asyl Suchenden, Flüchtlingen und MigrantInnen ihrer und unserer unwürdig umzugehen:
• Von der Bevölkerung getrennt, werden sie in krank machende Behausungen gepfercht und in lagerähnliche Masseneinrichtungen gezwungen. Diese werden euphemistisch „Gemeinschaftsunterkünfte“ genannt.
• In „Ausreiseeinrichtungen“, so verharmlosend dem neuen Zuwanderungsgesetz nach benannt, als handele es sich um Tourismusunternehmen, werden sie mit Hilfe zermürbender Verfahren – wie Verhöre, Kontrollen und Durchsuchungen persönlicher Sachen und Räume und andere an Folter grenzende Methoden – unter massiven Druck gesetzt, um „freiwillig“ auszureisen.
• Abschiebeknäste berauben sie ihrer Freiheit allein zu dem Zweck, sie bei erstmöglicher Gelegenheit ins ungewisse Schicksal abschieben zu können. Diese Einrichtungen und Handhabungen der Flüchtlingsverwaltung kennzeichnen Lager. Das sind Orte, an denen Menschen wie nackt und bloß behandelt werden. Es sind Orte struktureller und aktueller Gewalt.
• Freiheit und Selbstbestimmung werden systematisch eingeschränkt. Freiheit beginnt mit der Chance, sich bewegen zu können, selbst zu entscheiden, wie man sich ernährt, mit anderen Menschen, die man schätzt, verkehren zu können. All diese Freiheiten, die den Grund des Menschen bilden, werden im Lager und durch ergänzende gesetzliche Bestimmungen wie die „Residenzpflicht“ versagt.
• Die eigene Wohnung ist das soziale Kleid des Menschen. Darum ist Art. 13 GG so wesentlich. Ihm entsprechen die ältesten menschenrechtlichen Ausdrücke. Im Lager ist der eigene Raum unmäßig eng. Die Privat- oder Intimsphäre, im März 2004 vom Bundesverfassungsgericht als absolute Norm bestätigt, wird beseitigt. Die sanitären Anlagen in einem überfüllten Raum müssen mit anderen Menschen benutzt werden. Das Grau in Grau der schäbigen Wohnbedingungen bedrückt, traumatisiert.
• In Lagern leben heißt, sich an einem dichten, starren Regelnetz andauernd zu stoßen, zu verletzen. Dauernde Kontrollen inmitten der Sorge um die nahe, aber gänzlich dunkle Zukunft reiben die Menschen physisch und psychisch auf.
• In Lagern leben heißt vegetieren. Von der Außenwelt abgeschnitten, als handele es sich um eine gefährliche Rasse, werden die im Lager internierten Menschen mit fremden Anderen auf engstem Raum zwangsweise vergemeinschaftet. Zynisch werden Konflikte, die daraus erwachsen, zum Anlass genommen, Restriktionen und Kontrollen zu verschärfen.
Es gibt unterschiedliche Lager. Aber es gibt keine akzeptablen Lager. Denn sie zielen darauf, Menschen sozial zu desintegrieren und ihnen jegliche Perspektive zu nehmen. Mit den Lagern wird nach außen offen signalisiert, dass es sich bei den Eingezäunten und nur notdürftig Behausten um Menschen handelt, die nicht erwünscht sind und die keiner menschenwürdigen Unterbringung und Behandlung bedürfen. Wer Menschen in Lager presst, ver-lagert die Menschenrechte. Darum verstößt die Einrichtung von Menschen-Lagern, deren zwangsweise Insassen als Lager-Menschen zu Menschen dritter Klasse gemacht werden, gegen alle Grund- und Menschenrechte. Lager sind grundsätzlich verfassungswidrig. Kein aktuell irgendwo in der Bundesrepublik Deutschland oder in Europa gegebener Notstand kann Lager auch nur vorübergehend, geschweige denn ihre neue Einrichtung rechtfertigen. In Lagern werden Menschen wie Objekte behandelt. Lager verstoßen systematisch gegen den kategorischen Imperativ Kants, der allen Grund- und Menschenrechten, allem humanen Umgang von Menschen mit Menschen zugrunde liegt: die andere und den anderen nie primär als Objekt zu behandeln und als Instrument zu missbrauchen.
Wir, Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland, schämen uns, einem Land zuzugehören, das die wichtigste Botschaft seiner schlimmen nationalsozialistischen Vergangenheit vergessen hat. Darüber können all die aktuellen Feierinszenierungen nicht hinwegtäuschen. Sich verantwortlich deutscher Vergangenheit zu erinnern heißt,
• gegenwärtige Folgen zu ziehen;
• Grund- und Menschenrechte nicht nur im Munde zu führen, sondern ihren Normen praktisch zu entsprechen, selbst und gerade dann, wenn es zuweilen schwer fallen sollte;
• in dieser Bundesrepublik Deutschland, der Rechtsnachfolgerin nicht nur des Nationalsozialistischen Deutschlands, nicht zu dulden, dass Menschen erneut in Lager gepfercht und als Menschen degradiert werden.
Darum rufen wir uns und alle ähnlich denkenden Bürgerinnen und Bürger auf, sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit gegen die bestehenden und die Einrichtung neuer Lager auszusprechen, den politischen Kampf in den Lagern zu unterstützen und Kontakte zu den staatlich ausgesonderten Menschen aufzunehmen.
Gegenwärtig werden mit bundesdeutscher Hilfe Lager auch außerhalb der EU geplant und betrieben, um Menschen in einem Meer von Armut von den europäischen Wohlstandsinseln fernzuhalten. Dies ist ein in Lagern sich ausdrückender repressiver Rassismus, auch wenn er nur „ökonomisch“ und zum Zwecke der eigenen Wohlstandssicherung ausgeübt wird. Darum wollen wir, und so hoffen wir mit der Unterstützung vieler, die Unterbringung und Internierung von Menschen in Lager immer erneut skandalisieren und öffentlich zu Widerspruch und gewaltfreiem Widerstand aufrufen. Wir wollen sie auch, wenigstens exemplarisch und gewaltfrei, aber unfürsorglich unsererseits belagern. Nur wenn wir Bürgerinnen und Bürger zukunftgerichtet, der Vergangenheit eingedenk, mehr für die Grund- und Menschenrechte tun, gegen Lager aller Art an erster Stelle, können wir die Welt, in der wir leben, demokratisierend ein Stückweit mitbestimmen. Nur dann können wir auch die Repräsentanten etablierter Politik vielstimmig dazu bringen, eine Politik der Ver-lagerung von Demokratie und Menschenrechten zu beenden und alle Lagereinrichtungen aufzulösen. Denn diese Politik beruht auf Vorurteilen und sie erneuert beständig Gewalt hervorrufende Vorurteile.
Ich unterstütze und verbreite / wir unterstützen und verbreiten den Aufruf:
Ich / wir möchten über Aktionsvorbereitungen und Protesttage informiert werden.
Name, Vorname Anschrift: Straße, PLZ, Ort und eMail Unterschrift Unterschriftenlisten bitte bis zum 1. September 2005 einsenden an: Komitee für Grundrechte und Demokratie, Aquinostr. 7 -11, 50670 Köln Auch um finanzielle Unterstützung wird gebeten Spendenkonto: Volksbank Odenwald, 64734 Beerfelden, Konto-Nr.: 8 024 618, BLZ 508 635 13 Dieser Aufruf ist Teil einer vom Komitee zusammen mit anderen Organisationen getragenen Initiative gegen die Errichtung von Lagern. Zum Widerstand gegen Lager siehe: idash.org/~nolager/index.html Wir wollen am 24. September diesen Jahres dazu einen Aktionstag gestalten, über den wir noch weiter informieren werden. Ein Appell gegen die Einrichtung exterritorialer Lager der EU in Nordafrika befindet sich auf der homepage des Komitees. V.i.S.d.P.: Thomas Hohlfeld / Dirk Vogelskamp, Köln