Ein Teilnehmer an den Demonstrationen von Blockupy gegen die Eröffnung der EZB in Frankfurt am 18. März 2015 wurde im Juni 2016 vom Amtsgericht Frankfurt zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Dieser Prozess sollte alle noch einmal auf die „zivilen Tatbeobachter“ aufmerksam werden lassen. Ausgesagt haben vor allem mit Perücken verkleidete Polizeibeamte, die als Teil des Protestes an den Eskalationen am frühen Morgen beteiligt waren. Juristisch ist die Rolle dieser Polizeibeamten, die Teil von Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten sind, sich aber als Tatbeobachter der Gruppe der Demonstrierenden gemäß kleiden und verhalten, völlig ungeklärt. Statt dass Staatsanwaltschaften und Gerichte dieses polizeiliche Vorgehen unter die Lupe nehmen, verlassen sie sich im Zweifelsfall auf die Aussagen der doppelt vermummten Polizisten. Es ist davon auszugehen, dass sie im Rahmen ihrer Tätigkeiten auch selbst Straftaten begehen, im Zweifelsfall die Beweissicherung unterlassen und andere nicht von Straftaten abhalten. Zu ihren Aufgaben gehört die Missachtung des Legalitätsprinzips, sie schreiten bei Straftaten nicht ein, ermitteln nicht und geben ihre Informationen noch nicht einmal an die Ermittlungsbehörden weiter. Die Rechtsanwältin Britta Eder berichtete schon im April 2014 in der anti atom aktuell detailliert über die „Zivilen“ Tatbeobachter und die fehlende öffentliche Diskussion über deren Rolle.
Solche Zivilen Tatbeobachter waren sicherlich auch beim Protest gegen den Castor-Transport im November 2011 dabei und werden insbesondere diejenigen begleitet haben, die zum „Castor schottern“ aufgerufen haben. Die Rechtmäßigkeit zweier präventiver Ingewahrsamnahmen während dieses Castortransportes nach Dannenberg wollte das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht prüfen. Es hat die Verfassungsbeschwerden im April 2016 nicht zur Entscheidung angenommen, sondern der fragwürdigen Prüfung der unteren Gerichte vertraut. Die beiden Demonstrierenden waren mit anderen von der Polizei von den Schienen gedrängt und anschließend festgenommen worden. Zwölf Stunden später ordnete das Amtsgericht die präventive Ingewahrsamnahme an.
Immer wieder sind bei Castortransporten im Wendland (präventive) Gewahrsamnahmen und Einkesselungen von Demonstrierenden ohne richterliche Entscheidung vorgenommen worden. Manchmal haben Klagen geholfen. So hat das Landgericht Lüneburg in zweiter Instanz am 24. Januar 2013 festgestellt, dass ein Polizeikessel bei Harlingen von Anfang an rechtswidrig war. Über mehrere Stunden wurden Demonstrierende ohne richterliche Anordnung und Möglichkeiten zur richterlichen Überprüfung bei widrigen Witterungsverhältnissen ihrer Freiheit entzogen. Auch der Kessel im Jahr 2010 war rechtswidrig. Während das LG Lüneburg nur die fehlende richterliche Überprüfung bemängelte, rügte das BVerfG (2 BvR 1834/12) am 20. Mai 2015 die fehlende Berücksichtigung der Umstände der Freiheitsentziehung. Die Richter hätten den Grundsatz missachtet, dass das Grundgesetz „ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt“ enthalte.
Es gibt also auch immer wieder Hoffnung machende Urteile in der Geschichte des Umgangs mit dem Versammlungsrecht. Die Exekutive setzt sich letztlich jedoch durch. Aus den vielen Urteilen, dass polizeiliche Einkesselungen rechtswidrig waren, lernt sie ja auch nur, dass man unbeeindruckt mit der illegalen Freiheitsberaubung fortfahren kann.
Nun aber hat das Verfassungsgericht die Beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil es einfach der Einschätzung des Landgerichts folgt. Diesmal hatte eine sehr späte richterliche Anordnung der Präventivhaft stattgefunden. Amts- und Landgericht meinten, die Ingewahrsamnahme sei „unerlässlich gewesen“, „um die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in allernächster Zeit bevorstehende Begehung einer Straftat – Störung öffentlicher Betriebe, gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr … – zu verhindern. Die Polizeidirektion Lüneburg hatte darauf hingewiesen, „ein Platzverweis habe untauglich geschienen, weil sich der organisierte Castor-Protest polizeilichen Anordnungen bekanntermaßen widersetze“. Es ist jedoch realitätsfern, zu glauben zwei „Schotterer“ könnten angesichts einer nur dem Castortransport dienenden, polizeilich total überwachten Strecke die Schienen durch das Entfernen kleiner Steine dauerhaft unbenutzbar machen. Gefährdet wäre der Transport dadurch nicht, aber diese beiden Bürger hätten ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wahrnehmen können.
Völlig fehl geht die Annahme, das offensive Tragen von Protestsymbolen einerseits – weißer Schutzanzug – , von Arbeitsmaterialien und Schutzausrüstungen gegen übermäßige polizeiliche Gewalt andererseits wären Ausdruck der Bereitschaft, erhebliche Straftaten zu begehen. Aber das Bundesverfassungsgericht wollte nicht selbst prüfen, ob eine „hinreichend bestimmte“ Absicht, eine Straftat zu begehen, vorlag und ob nicht auch ein Platzverweis ausgereicht hätte. Letztlich hat sich wieder einmal bestätigt, dass die Polizei als Exekutivgewalt die Macht hat, eine Freiheitsentziehung zu vollziehen. Die Gerichte glauben ihnen – egal wie absurd ihr Vortrag ist.
Elke Steven