Vom 26. bis 28. Juni 2022 treffen sich die Vertreter*innen der G7-Staaten wieder zum jährlichen Gipfel. Veranstaltungsort in diesem Jahr ist, wie bereits 2015 unter deutscher Schirmherrschaft, das Schloss Elmau im Landkreis Garmisch-Partenkirchen.
Das Komitee für Grundrechte und Demokratie wird die Gewährleistung der Versammlungsfreiheit nach Artikel 8 GG und das Vorgehen der Polizei- und Sicherheitsbehörden während der Gipfeltage beobachten. Schon jetzt zeichnen sich deutliche Versammlungsbeschränkungen durch die Sicherheitsbehörden ab.
Am kommenden Wochenende wird um das Schloss Elmau eine Sicherheitszone eingerichtet und mittels eines 16km langen Sicherheitszaunes abgetrennt. Zudem ist der Einsatz von mindestens 18.000 Polizist*innen geplant. In einem für potenzielle Festnahmen und Haftprüfungen eigens aufgebauten „Containerdorf“ mit 150 Gewahrsamszellen sollen rund um die Uhr Gewahrsams- und Haftprüfungen vorgenommen werden können.
Darüber hinaus werden seit dem 13. Juni 2022 Grenzkontrollen durchgeführt, zahlreiche Straßen- und Zugstreckensperrungen sind angekündigt. Vom gesamten Budget der 166 Millionen Euro zur Ausrichtung des Treffens nimmt der Löwenanteil von 148 Millionen Euro die Kosten für Polizei und Sicherheitskonzept ein.
Die bayrische Polizei – genauer der eigens für den G7 eingerichtete Planungsstab – und das bayrische Innenministerium planen einen überdimensionierten Polizeieinsatz, der in keinem Verhältnis zu den angekündigten Protestmobilisierungen steht. Der bayrische Innenminister Herrmann (CSU) begründet die Grenzkontrollen damit, dass "die weltpolitische Lage sich im Vergleich zu damals [2015] leider weiter verschärft [habe]. Insoweit müssen wir beispielsweise auch mit einem größeren Potential von Chaoten rechnen, die aus dem Ausland einreisen wollen, nur um im Umfeld des Gipfels Randale zu veranstalten." Auch das Bundesinnenministerium will durch Grenzkontrollen „potentielle[r] Gewalttäter“² stoppen.
Ohne konkret benannte Hinweise und damit ohne Anlass nimmt Herrmann an, dass „[d]ie Teilnahme gewaltbereiter Chaoten an den Protestkundgebungen leider nicht auszuschließen [ist].“ Es überwiegt hier der Eindruck, dass Demonstrationen anlässlich des Gipfeltreffens nichts sind, was Teil einer gelebten Demokratie ist, sondern allein als Anlässe verstanden werden, von denen Gefahr ausgeht und die es einzuhegen gilt.
Eine derart omnipräsente Warnung soll nicht nur die Menge an Polizist*innen, die enorme Ausstattung der Gefangenensammelstelle und die massiven Kontrollen rechtfertigen, sondern auch potenziell Anreisende einschüchtern. Zu dieser Absicht könnten auch die angekündigten hohen Hürden der Anreise gezählt werden: weiträumige Sperrungen und ein Informationsdefizit zum genauen Umfang und Zeitkorridor könnten dazu führen, dass potenziell Protestierende den Weg nicht auf sich nehmen, in Sorge darum, angehalten, kontrolliert oder gar nicht durchgelassen zu werden. Dies jedoch steht im Widerspruch zu einem der Grundsätze der Versammlungsfreiheit, welcher im Brokdorf-Beschluss von 1985 bundesverfassungsgerichtlich bestätigt wurde: Ein freier Zugang zu Versammlungen und die Abwesenheit von Observation und Registrierung.
Neben diesen bereits im Vorfeld wirkenden Einschüchterungen für Anreisende blicken wir auch kritisch auf die angekündigten Auflagen angemeldeter Versammlungen. Für den für Montag, den 27. Juni 2022, geplanten Sternmarsch greifen bereits hohe Einschränkungen: Nach anfänglicher kompletter Ablehnung eines Protestes in Hör- und Sichtweite der Staatsvertreter*innen, wurde nun einer Delegation von 50 Personen zugesprochen, in den Sicherheitsbereich zu gelangen. Die Protestierenden müssten aber ihre Personalien abgeben und sich in Polizeibussen zum Kundgebungsort transportieren lassen. Diese Regelungen schränken den Grundsatz der Autonomie in der Ausgestaltung der Versammlung durch die Anmeldenden schwer ein und verunmöglicht die Freiheit, sich an Versammlungen anonym zu beteiligen.
Aufgrund der herausragenden Bedeutung von öffentlichen Versammlungen als unmittelbarstes Werkzeug gelebter Demokratie, führt das Komitee für Grundrechte und Demokratie seit der Brokdorf-Demonstration 1981 Demobeobachtungen durch. Grundrechte kann man nur schützen und verteidigen, indem man sie in Anspruch nimmt.
In diesem Sinne wird das Komitee für Grundrechte und Demokratie mit acht Demobeobachter*innen ab dem 23. Juni 2022 rund um Garmisch-Partenkirchen und München zugegen sein und das Geschehen beobachten - zum Schutz der Grundrechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Im Anschluss werden wir einen Bericht zur Demobeobachtung veröffentlichen.