Nach den Äußerungen von AfD-Chefin Frauke Petry zu einem eventuellen Schusswaffeneinsatz an der Grenze dreht sich das etablierte Parteienkarussell um die Frage, ob die AfD vom Verfassungsschutz zu überwachen sei. SPD-Chef Sigmar Gabriel machte in der «Bild am Sonntag» den Vorreiter und doppelte am Montag in der ARD-Tagesschau nach: Die rechtspopulistische Partei stehe nicht mehr auf dem Boden der «freiheitlich-demokratischen Grundordnung». In der Vergangenheit sei man gut beraten gewesen, «uns solche Gruppen genauer anzusehen». Anton Hofreiter von den Grünen pflichtete ihm bei. Auch CDU-Vize Armin Laschet ist zwar der Meinung, dass die AfD «gegen die Werte unserer Verfassung verstoße». Allerdings entscheide der Inlandsgeheimdienst selbst, wen er «beobachtet» und wen nicht.
Eigentlich wäre die Frage klar zu beantworten: Wer den Verfassungsschutz braucht, um festzustellen, dass AfD und PEGIDA fremdenfeindliche Hetze betreiben, hat Tomaten auf den Augen.
Es geht hier jedoch nicht nur um die Positionen und Aktionen von AfD u. Co. Die aktuelle Debatte macht deutlich, wie kurz das Gedächtnis der Parteien und leider auch großer Teile der Öffentlichkeit ist: Während im Bundestag gerade ein zweiter Untersuchungsausschuss versucht, unter anderem die Verwicklungen des Verfassungsschutzes und seiner V-Leute in den NSU-Skandal aufzuklären, haben die Parteispitzen längst wieder die Zurückhaltung gegenüber dem Geheimdienst verloren. Selbst Hofreiter, dessen Fraktion im vergangenen Jahr noch zurecht gegen das neue Verfassungsschutzgesetz stimmte, ist sich nicht zu schade, dem Dienst neue Aufträge zuzuschanzen. Er soll einmal mehr entscheiden, wer denn nun noch auf dem Boden der fdGO steht, wer «extremistisch» ist und wer nicht. Der Blick in die jährlichen Verfassungsschutzberichte aus Bund und Ländern zeigt den Opportunismus solcher geheimdienstlicher Wertungen. Das betrifft nicht nur die vielen außerparlamentarischen Gruppen der Linken, die regelmäßig auf diese Art ausgegrenzt werden, sondern auch Parteien – selbst solche, die wie Die Linke in den Parlamenten vertreten sind. Das betraf in früheren Zeiten übrigens auch die Grünen und selbst SozialdemokratInnen.
Im Falle der AfD soll der Verfassungsschutz nun erneut ein amtliches Machtwort sprechen und die Partei in die Ecke der Verfassungsfeindlichkeit verbannen. Dabei ist die rechte Neu-Partei gar nicht so weit von dem entfernt, was auch in beachtlichen Teilen des etablierten Parteienspektrums vertreten wird. Von der CSU und der bayerischen Landesregierung kommen seit Monaten Forderungen nach Transitzonen, in denen neu ankommende Geflüchtete zu internieren seien, nach Obergrenzen und dergleichen mehr. Die Koalition lässt sich von ihrem rechten Flügel vor sich hertreiben und beschließt eine Verschärfung des Asylrechts nach der anderen.
Und noch etwas: Die Polizeivollzugsbeamten des Bundes, die «Beamten des Grenzaufsichtsdienstes» u.a. «können im Grenzdienst Schusswaffen auch gegen Personen gebrauchen, die sich der wiederholten Weisung, zu halten oder die Überprüfung ihrer Person oder der etwa mitgeführten Beförderungsmittel und Gegenstände zu dulden, durch die Flucht zu entziehen versuchen. Ist anzunehmen, dass die mündliche Weisung nicht verstanden wird, so kann sie durch einen Warnschuss ersetzt werden.» So steht es seit 1961 in § 11 des «Gesetzes über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes (UZwG)». Spätestens bei der Einrichtung von Transitzonen oder ähnlichen Instrumenten zur Abdichtung der Grenzen werden PolizeibeamtInnen vor die Frage gestellt, wie sie diese gesetzliche Vorgabe auszuführen haben.
Wer das nicht will, muss öffentlich gegen den Überfremdungswahn Position beziehen – egal ob er nun von der AfD oder aus den etablierten Parteien kommt. Der Verfassungsschutz hilft hier nichts. Er gehört abgeschafft.