Prof. Dr. Andreas Buro, Friedensforscher und jahrzehntelanger Vordenker der deutschen Friedensbewegung, ist am Dienstag, dem 19.1.2016, im Alter von 87 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit in seinem Haus in Grävenwiesbach im Taunus im Kreise seiner Familie friedlich eingeschlafen und verstorben.
Andreas Buro gehörte zu den Mitbegründern der Ostermärsche der 1960er Jahre und blieb bis wenige Tage vor seinem Tode friedenspolitisch aktiv. Er war Mitbegründer und bis zuletzt friedenspolitischer Sprecher des Komitees für Grundrechte und Demokratie. Große Verdienste erwarb er sich in der Entwicklung der Zivilen Konfliktbearbeitung (ZKB) als realistische Alternative zu militärischem Vorgehen. Seit dem Jahr 2006 gab er in Zusammenarbeit mit der Kooperation für den Frieden, einem Zusammenschluss von mehr als 50 Organisationen der deutschen Friedensbewegung, die Monitoring-Dossiers heraus, in denen ausdifferenzierte Vorschläge zur zivilen Konfliktbearbeitung in bestimmten internationalen Konflikten ausgearbeitet sind.
Andreas Buro wurde für seine friedenspolitische Arbeit 2008 mit dem Aachener und 2013 mit dem Göttinger Friedenspreis ausgezeichnet.
In seinem letzten Kommentar, der am 24.12.2015 im Aachener Friedensmagazin aixpaix.de unter der Überschrift „Friedenslogik, die die Kriegslogik infrage stellt“ erschien, formulierte er sein optimistisches Vermächtnis:
„Mir fällt der Vers aus Brechts ‚Lied von der Moldau‘ ein: ‚Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine ...‘ Vielleicht sind wir in einer solchen Situation. In vielen Teilen der Welt bilden sich Widerstandsgruppen gegen Krieg und Gewalt, Ausbildungsstätten für Zivile Konfliktbearbeitung entstehen und Ausgebildete werden bereits in Konflikten erfolgreich eingesetzt. Das Bemühen ist oft schwierig – Brechts Wort! Manche Kontrahenten, die nicht mehr siegen können, lassen sich auf Verhandlungen ein und lernen, wie erfolgreich Zivile Konfliktbearbeitung sein kann. Soziale Bewegungen auf anderen Arbeitsfeldern lernen voneinander, dass zivile Konfliktbearbeitung auch für sie hilfreich ist. Erstaunlicherweise schleichen sich auch nicht selten bei Militärs Zweifel ein, ob ihr Tun noch sinnvoll sei. Viele sprechen von Friedenslogik, die die Kriegslogik infrage stellt. Ein großer Prozess des Umdenkens und der Umorientierung ist im Gange, vielfältig, spannend, Mut fordernd und Ausdauer. Toll! ‚Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine.‘ Hier findet Sinnsuche ihre Aufgaben. Großartig dabei zu sein!“ (vollständiger Text: http://aixpaix.de/autoren/buro/friedenslogik-20151224.html)
Wir trauern um einen großartigen Wegbegleiter, der es zu seiner Lebensaufgabe gemacht hatte, Frieden zu fördern und Krieg zu überwinden, der die friedvollen Möglichkeiten sah und ergriff und der herrschenden Machtpolitik die Stirn bot.
Köln/Bonn, 19.01.16
gez.
- Martin Singe und Elke Steven, Komitee für Grundrechte und Demokratie
- Kristian Golla, Netzwerk Friedenskooperative
Grundrechtekomitee trauert um Andreas Buro
Andreas Buro ist am 19. Januar 2016 im Alter von 87 Jahren an einem schweren Krebsleiden verstorben. Seine Freundinnen und Freunde aus dem Grundrechtekomitee und der Friedensbewegung trauern um einen einzigartigen Menschen. Unsere Gedanken und unser Mitgefühl sind bei seiner Familie, seinen Liebsten und Vertrauten.
Andreas Buro, geboren 1928 in Berlin, war 1980 Mitbegründer des Grundrechtekomitees. Bis 1994 war er dessen Sprecher und zusammen mit Klaus Vack als Geschäftsführender Vorstand aktiv. Seit 1994 bis zu seinem Tode wirkte er für das Grundrechtekomitee als friedenspolitischer Sprecher. Auf ungezählten Kundgebungen, Demonstrationen, Tagungen und Kongressen sprach er engagiert über seine Friedensutopien, die er realpolitisch zu fundieren verstand. Der Friedensforscher, Friedensaktivist und Mitbegründer der Ostermärsche war seit Ende der 1950er Jahre friedenspolitisch engagiert, zuerst in der „Internationale der Kriegsdienstgegner“ und bei „Kampf dem Atomtod“. 1965-1969 war er Sprecher des Zentralen Ostermarschausschusses. Seitdem wirkte er zugleich in vielen internationalen friedenspolitischen Zusammenhängen.
Für das Grundrechtekomitee arbeitete er in den 1980er Jahren im Koordinierungsausschuss der Friedensbewegung mit, der die Großdemonstrationen in Bonn Anfang der 1980er Jahre gegen den „Nachrüstungsbeschluss“ der NATO organisiert hatte. In den 1990er und 2000er Jahren wendete er sich immer wieder gegen die neuen Interventionskriege der NATO, an denen sich die Bundesrepublik seit dem Krieg gegen Jugoslawien beteiligt. Den Propagandisten der sogenannten humanitären Intervention setzte er die Argumente der zivilen Konfliktbearbeitung entgegen und entlarvte die kriegsverniedlichenden Verschleierungen, die die Regierung dem neuen militärischen Interventionismus umzuhängen versucht.
Sein Vermächtnis lautet auch aktuell: „Terror kann man nicht mit Krieg bekämpfen. Krieg ist Terror.“ 2008 wurde ihm der Aachener Friedenspreis verliehen. 2013 erhielt er den Göttinger Friedenspreis. 2011 veröffentlichte Andreas Buro seine Autobiographie „Gewaltlos gegen Krieg. Lebenserinnerungen eines streitbaren Pazifisten“. In Memoriam zitieren wir einen Auszug aus seinem Gedicht am Ende dieses Buches (S. 318):
Eines Tages werden
Stimme und Wort
meine Hörer nicht mehr erreichen.
Wie sollen dann meine Friedensgedanken
noch wirken?
Wird Frühling sich immer wieder
strahlend eröffnen,
wenn ich nicht mehr bin,
oder hat Apokalypse
die Blütenträume zertreten?
Einmal ist es das letzte Mal.
Was bohrt dieser Satz
so tief in mir?
(Im Anhang: Biographie in Stichpunken und Trauerrede von Roland Roth in Hundstadt am 30. Januar 2016)
(Zum Lebenslauf vgl. anhängende „Kurzbiographie Andreas Buro“ und Wikipedia: de.wikipedia.org/wiki/Andreas_Buro)
Ein bedeutender Schwerpunkt seiner Friedensarbeit lag in den letzten Jahren in der Erforschung und Beschreibung von zivilen Strategien zur Prävention und Deeskalation von Konflikten. In der Dossier-Reihe des „Monitoring-Projektes“ hat Andreas Buro alternative politische Konfliktlösungen ausgearbeitet, u.a. zum Afghanistan-Krieg, zum Iran-Konflikt, zum türkisch-kurdischen und zum Israel-Palästina-Konflikt, und zuletzt auch zum Krieg in Syrien und den Anforderungen an eine umfassende Friedenslösung in Nah-Mittel-Ost.
Mit diesem Arbeitsschwerpunkt blieb Andreas Buro seiner seit Jahrzehnten in Friedensforschung und Friedensbewegung verfolgten Linie treu, die Analyse und Kritik der herrschenden Gewalt- und Kriegszustände mit dem Aufzeigen von gewaltfreien zivilen Alternativen zu verbinden. Das rührt aus seiner Überzeugung, dass man die Menschen für die Sache des Friedens und des Pazifismus nur gewinnen kann, wenn glaubwürdig und nachvollziehbar dargelegt wird, wie denn ohne Rückgriff auf Waffen und Militär die vielfältigen Konflikte unserer Zeit bearbeitet und einer Lösung zugeführt werden können.
Er war ein kluger Stratege und Taktiker, der sich auf die Notwendigkeit einstellte, den Weg nur Schritt für Schritt gehen zu können. Um die Vielen auf dem Weg mitzunehmen, war die geduldige Organisierung sozialer, emanzipativer Lernprozesse ein weiteres durchgehendes Thema im politischen und akademischen Leben von Andreas Buro. Letzteres konzentrierte sich auf die Universität Frankfurt, wo er seit Anfang der 70er Jahre wirkte – als Lehrbeauftragter, Privatdozent und Professor, mit Schwerpunkten bei Internationalen Beziehungen, Entwicklungspolitik, europäischer Integration, Friedensforschung und sozialen Bewegungen.
Andreas Buro hat in seinem Leben so viele Wellen der sozialen Bewegungen miterlebt, dass ihm Euphorie und Resignation gleichermaßen fern lagen. Vielmehr folgte er dem Diktum Gramscis vom Pessimismus des Wissens und dem Optimismus des Handelns. Das hat ihn seit seinem Engagement in der Internationale der Kriegsdienstgegner (IdK) und in der Kampagne „Kampf dem Atomtod“ in den 50er Jahren bis heute vorangetrieben. Ostermarschbewegung, außerparlamentarische Opposition gegen Notstandsgesetze und Vietnamkrieg, Kampagne für Demokratie und Abrüstung, Mitgründung des Sozialistischen Büros und der Zeitschrift „links“ waren weitere Stationen auf dem Weg. 1980 dann gehörte er zu den Gründern des Komitees für Grundrechte und Demokratie, das er seitdem mitgeprägt hat, viele Jahre als Sprecher und im Geschäftsführenden Vorstand, bis zuletzt als friedenspolitischer Sprecher. In den 1980er Jahren vertrat er das Komitee in der „neuen“ Friedensbewegung, die seinerzeit eine große Massenbewegung war, die Hunderttausende zu Demonstrationen auf die Straße brachte. Er war eine der Schlüsselfiguren jener Bewegung, auch damals darauf bedacht, den Protest und Widerstand gegen die nukleare „Nach“rüstung zu verbinden mit dem Aufzeigen von Alternativen.
Der grenz- und blockübergreifende Charakter dieser Bewegung lag ihm besonders am Herzen. Die internationale Zusammenarbeit war stets ein Schwerpunkt seiner Aktivitäten, beginnend mit seinem Engagement bei der Organisierung des Friedensmarsches San Francisco – Moskau 1961 und der Mitbegründung der „International Confederation for Disarmament and Peace“ und der World Peace Brigades, über die Mitgründung der „Helsinki Citizens` Assembly“ bis zur Gründung des Dialog-Kreises für türkisch-kurdische Verständigung und für eine politische Lösung des Kurdenkonflikts im Jahre 1995. Bis zuletzt war Andreas Buro der Mittelpunkt des Dialog-Kreises und Herausgeber seiner „Nützlichen Nachrichten“. Sein internationalistisches Engagement hat ihn im Lauf der Jahrzehnte in aller Herren Länder geführt; Moskau, Washington, Peking, Istanbul, Tiflis, Paris, Beirut usw. sind wiederkehrende Stationen seiner politischen Reisetätigkeit. Von den Herrschenden wurde er zumeist nicht besonders freundlich empfangen, dafür aber erfuhr er von den menschenrechtlich und friedenspolitisch aktiven Bürgerinnen und Bürgern dieser Länder wegen seiner (kritischen) Solidarität und ruhig-bescheidenen Art, zuzuhören und Vorschläge zu machen, desto mehr Respekt, Sympathie und Zuneigung. In dem von ihm herausgegebenen Buch „Geschichten aus der Friedensbewegung“ (Köln 2005) kann man darüber Nachdenkliches, Kurioses, Empörendes und Mutmachendes lesen.
In seinem Buch über die Friedensbewegung „Totgesagte leben länger“ schrieb Andreas Buro: „Sicher ist der Weg zu einer solidarischen Weltgesellschaft ein unendlicher Weg. Wir werden niemals das Ziel ganz erreichen. Deshalb wird zu Recht gesagt, der Weg sei das Ziel, will sagen: Auf dem Weg erreichen wir nur Teilziel um Teilziel. Natürlich verirren wir uns auch, aber wir haben Chancen, zurückzufinden und dann den Weg wiederaufzunehmen. Wäre es nicht ein großartiges und bedeutendes Etappenziel, militärische Gewalt aus dem Arsenal menschlich-unmenschlicher Instrumente auszuklammern? (…) der Weg, über den wir hier sprechen, (kann) ein sehr erfülltes, ereignisreiches und sinnvolles Leben bedeuten.“ (Andreas Buro: Totgesagte leben länger – Die Friedensbewegung. Idstein 1997, S. 204f.). Ein solches Leben hat Andreas Johann Peter Ludwig Buro bis zum Ende gefuehrt.
Dr. Volker Böge / Martin Singe