Am 10. Januar 2022 fiel am Kölner Landgericht das Urteil gegen den CDU-Lokalpolitiker Hans-Josef Bähner. Das Gericht sprach ihn der gefährlichen Körperverletzung, der Beleidigung und des Verstoßes gegen das Waffengesetz für schuldig und verhängte eine Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten ohne Bewährung. Als strafverschärfend wurde ein „fremdenfeindliches“ Motiv gewertet.
Der Lokalpolitiker hatte in einer Dezembernacht 2019 am Rheinufer in Köln-Porz vier junge Männer rassistisch beleidigt und aus nächster Nähe auf einen von ihnen geschossen. Der angeschossene Krys überlebte: Das Projektil durchdrang seine Schulter. Bis heute leiden die vier Freunde unter den psychischen Folgen der Tat. Neben vielen weiteren Prozessbegleiter* innen haben wir als Grundrechtekomitee die acht Prozesstage der Verhandlung beobachtet.
Das Urteil – insbesondere die Anerkennung des rassistischen Motivs – ist keineswegs selbstverständlich. Rassismus wird allzu häufig ignoriert oder geleugnet, rassistische Taten werden oft verharmlost und entpolitisiert. Die Entscheidung des Gerichts war somit für die Betroffenen und die solidarische Öffentlichkeit zunächst eine Erleichterung, da die Gewalttat und deren politische Hintergründe anerkannt und der Überlebende sowie seine Freunde als Betroffene letztendlich ernst genommen wurden.
Das Urteil darf aber nicht über den institutionellen Rassismus hinwegtäuschen, der im Verlauf des Prozesses an vielen Stellen offenbar wurde: Die Ignoranz der Polizeibeamt*innen gegenüber den Schilderungen der vier jungen Männer über die rassistischen Beleidigungen in der Tatnacht, die Leerstellen in den polizeilichen Ermittlungen sowie eine die Betroffenen herabwürdigende Verteidigungsstrategie der Anwälte Bähners, die der Vorsitzende Richter nicht unterband.
Das Urteil kann zudem weder die Tat ungeschehen machen, noch schützt es davor, dass solche Taten in Zukunft wieder geschehen.
BETROFFENE WERDEN ZU TÄTERN GEMACHT
Bis zu dem Urteil mussten die vier Betroffenen erleben, dass sie als Täter behandelt wurden: Der Kölner Stadtanzeiger hatte Krys als „polizeibekannt“ bezeichnet und ihn in einem Atemzug mit vermeintlichen Dealern am Porzer Rheinufer genannt – die klassische Täter-Opfer-Umkehr. Krys und seine Freunde mussten erst selbst aktiv werden und die Geschehnisse in der Tatnacht richtig stellen.
Auch begegnete die Polizei dem Lokalpolitiker von Beginn an mit einem Vertrauensvorschuss. Zwar lagerte der besessene Sportschütze in seinem Haus 80 Kilogramm Munition und Schwarzpulver sowie diverse Waffen und unter anderem die Tatwaffe war nicht registriert. Als gut situierter Bürger mit Haus am Rheinufer saß er aber nur für wenige Stunden im Polizeigewahrsam und wurde dann freigelassen. Die vier Männer wurden hingegen zunächst auf Schmauchspuren untersucht – Bähner hatte fälschlich behauptet, nicht er, sondern Krys habe geschossen und die Waffe danach auf seinem Grundstück abgelegt.
Die Berichte der vier jungen Männer von den rassistischen Beleidigungen durch den Täter in der Tatnacht erhielten zudem kaum bzw. keine Aufmerksamkeit, wie die Polizeiaussagen im Gericht bestätigen. Rassismus habe nach Auffassung der Polizei für die Tat keine Rolle gespielt; ein solches Motiv leugnete auch die Verteidigung. Erst als mehrere Tage nach der Tat in den Medien auf die rechten und rassistischen Inhalte auf Bähners Facebookprofil hingewiesen wurde, geriet die Polizei unter Druck und ermittelte in diese Richtung.
Im Prozess ergab sich das Bild von Bähner als einem rechten Wutbürger, der aufgrund einer vorgeblichen Bedrohung durch migrantische Jugendliche in seinem Stadtteil und einem Nichtvermögen der Polizei zur Selbstjustiz greift.
Eine Täter-Opfer-Umkehr findet sich in vielen Fällen rassistischer Gewalt: So wurden von der Polizei nach den Morden des NSU die Hinterbliebenen als Täter*innen verdächtigt, anstatt den Hinweisen auf die rassistischen Mörder nachzugehen. Die Angehörigen der Ermordeten in Hanau erhielten sogenannte Gefährderansprachen, als seien sie diejenigen, von denen eine Gefahr ausgehe.
Dank dem Kölner Bündnis Tatort-Porz, das sich nach der Tat zusammengefunden hat, um „Gerechtigkeit für Krys“ zu fordern und eine öffentliche Diskussion über Rassismus zu forcieren, erhielt der Fall schließlich bundesweit Aufmerksamkeit und die Parallelen zu anderen rassistischen Gewalttaten wurden sichtbar.
Die Verhandlung am Landgericht ist beendet und das Urteil gesprochen. Die gesellschaftliche Auseinandersetzung um (institutionellen) Rassismus und die Suche danach, was Gerechtigkeit für Betroffene von rassistischer Gewalt eigentlichen heißen muss und wie sie hergestellt werden kann, muss indes weitergehen.
Für ausführliche Prozessberichte verweisen wir auf die Webseite von tatort-porz.org