In einer zukunftsweisenden Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht im April 2021 den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Klimaschutz deutlich gestärkt. Das erst Ende 2019 verabschiedete Klimaschutzgesetz wurde für teilweise verfassungswidrig erklärt. Die Regelungen ab 2031 seien unzureichend und müssen nun bis Ende 2022 neu getroffen werden. Der Paukenschlag lag aber in der Stärkung der verfassungsrechtlichen Relevanz des Artikels 20a Grundgesetz. In diesem heißt es: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen“.
Bisher wurde dieser 1994 als Staatsziel aufgenommene Grundrechtsartikel als Verfassungslyrik für Sonntagsreden gehandelt. Dass er tatsächliche Schutzpflichten des Staates begründen könnte und damit Klimaschutz einklagbar machen würde, wurde bisher weitgehend verneint. Das Bundesverfassungsgericht stellte nun klar: „Art. 20a GG ist eine justiziable Rechtsnorm, die den politischen Prozess zugunsten ökologischer Belange auch mit Blick auf die künftigen Generationen binden soll.“ und „Art. 20a GG verpflichtet den Staat zum Klimaschutz. Dies zielt auch auf die Herstellung von Klimaneutralität.“
Bemerkenswert sind auch die Ausführungen zur internationalen Dimension des Klimaschutzgebots: „Das Klimaschutzgebot verlangt vom Staat international ausgerichtetes Handeln zum globalen Schutz des Klimas und verpflichtet, im Rahmen internationaler Abstimmung auf Klimaschutz hinzuwirken. Der Staat kann sich seiner Verantwortung nicht durch den Hinweis auf die Treibhausgasemissionen in anderen Staaten entziehen.“ Das erteilt auch all jenen eine Absage, die sich vehement gegen Klimaschutzmaßnahmen stemmen, indem sie auf hohe Emissionen anderer Länder verweisen.
Schließlich formuliert die Entscheidung eine Verpflichtung zur Generationengerechtigkeit in der Bekämpfung des Klimawandels. Das Gericht setzt die Freiheit in der Gegenwart ins Verhältnis zur Freiheit kommender Generationen. Politische Entscheidungen von heute müssen sich demnach auch an den Auswirkungen auf die Freiheitsrechte künftiger Generationen messen. Um nicht alle freiheitseinschränkenden Lasten der Klimawandelbekämpfung auf kommende Generationen zu verschieben, sollen schon jetzt „Vorkehrungen zur Gewährleistung eines freiheitsschonenden Übergangs in die Klimaneutralität“ getroffen werden. Damit werden politische Entscheider*innen verpflichtet, verantwortungsvolle Politik über den Horizont von Legislaturperioden und Ländergrenzen hinaus zu machen.
Auf verfassungsrechtlicher Ebene wurde ein großer Schritt getan, doch sich darauf auszuruhen, wäre fatal. Der juristische Rückenwind muss genutzt werden, um konkrete Verbesserungen in der Klimapolitik durchzusetzen. Ein beschleunigter Kohleausstieg oder ein Moratorium für Erdgas-Infrastrukturprojekte sind bitter nötig. Der Kampf für Klimagerechtigkeit geht weiter.