In München demonstrierten 40.000 Menschen gegen das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz. 20.000 waren in Düsseldorf gegen das NRW-Polizeigesetz auf der Straße und weitere 13.000 schließlich in Hannover gegen den niedersächsischen Entwurf. Selten hat der Widerstand gegen Sicherheitsgesetze derart viele Menschen auf die Straßen gebracht. Denn das Thema „Innere Sicherheit“ hat wieder Hochkonjunktur, die Formel der „Sicherheit“ zur Abwehr vermeintlich drohender Gefahren ist allgegenwärtig.
Doch wer definiert Sicherheit und für wen? Wohnungslose oder Geflüchtete, Betroffene von sexualisierter Gewalt oder rechten Übergriffen – ihre Erfahrungen lässt der aktuelle Sicherheitspopulismus außer Acht. Die Absicherung von Grundbedürfnissen und die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen bleiben sowieso außen vor. Zugleich befördert das permanente Beschwören von Gefahrenlagen und Präventionserfordernissen, das Reden von „Gefährdern“ und die Ausrufung sogenannter „gefährlicher Orte“ ein allgemeines Klima der Unsicherheit und der Angst, dem wiederum mit einem hochgerüsteten und machtvollen Sicherheitsapparat begegnet werden müsse. Der rechte Rand und dessen Strategie der Diffamierung von Migrant*innen tut sein Übriges.
Legitimer Protest gegen den Abbau von Grund- und Menschenrechten und gegen diese Politik der Angst wird dabei schnell selbst zum „Sicherheitsrisiko“ umgedeutet, mit Repression beantwortet und delegitimiert. Nicht Abschiebungen sind nunmehr geächtet, sondern der Widerstand dagegen, Migration wird als Gefahr wahrgenommen. Anonymität im Netz wird mit Kriminalität gleichgesetzt. Fußballfans werden pauschal als gewalttätig dargestellt. Gefahr für Demokratie und Menschenrechte wird nicht in rechter Gewalt oder in der polizeilichen Belagerung Hamburgs zum G20-Gipfel erkannt, sondern in Gegenprotesten und aktiven Stadtgesellschaften.
Auf diese „Arroganz der Macht“ reagieren viele Menschen zunehmend mit Unwillen und öffentlichem Widerspruch. Die Beweggründe für die neue Welle sehr unterschiedlicher Proteste gegen den „starken Staat“ und für einen „Herbst der Solidarität“ sind vielfältig. Der Ratschlag will ein Forum bieten, um mit unterschiedlichen Betroffenen von polizeilichen Maßnahmen, Überwachung und staatlicher Gewalt über die Auswirkungen dieses «starken Staates» zu diskutieren. Wir wollen herausarbeiten, welche Gegenstrategien unsere Gäste entwickelt haben, wo es Überschneidungen gibt, aber auch wo die Besonderheiten verschiedener Zugänge zum Thema liegen. Gemeinsam mit den unterschiedlich Aktiven und unseren Gästen werden wir Bruchstellen im neuen autoritären Sicherheitsstaat aufspüren und diskutieren, wie emanzipatorische Perspektiven der Gegenwehr aussehen könnten.
Referent*innen:
Jule Nagel MdL, Stadträtin & Aktivistin Leipzig & Sachsen
David Jassey, Refugee-Aktivist, ehem. Lager Donauwörth
Wilko Zicht, Bündnis aktiver Fußballfans (BAFF)
Ariane Landauer, Klimagerechtigkeitsbewegung
Sebastian Bähr, Redakteur Neues Deutschland
Albert Scherr/Michèle Winkler, Grundrechtekomitee
Ablauf:
11.00 – 11.30 BEGRÜSSUNG | EINLEITUNG INS THEMA
11.45 – 13.15 ABSCHNITT I – PODIUM: PERSPEKTIVEN AUF DEN AUTORITÄREN STAAT
- Frageblock 1 - Selbstvorstellung der Referent*innen
- Frageblock 2 – Blickwinkel auf den autoritären Staat
- Frageblock 3 – Umgang mit dem autoritärem Staat
13.15 – 14.15 Mittagspause
14.15 – 15.45 ABSCHNITT II – DISKUSSION & ANALYSE DES SICHERHEITSDISKURSES
- Um welche Sicherheit geht es? Sicherheit für wen? Und für wen nicht?
15.45 – 16.15 Kaffeepause
16.15 – 17.45 ABSCHNITT III – PERSPEKTIVEN DER GEGENWEHR & AUSBLICK
17.45 – 18.00 VERABSCHIEDUNG
Veranstaltungsort:
Bürgerzentrum Alte Feuerwache e.V.
Melchiorstraße 3 | 50670 Köln | Raum: Großes Forum
www.altefeuerwachekoeln.de