Anlässlich der Proteste des Bündnisses „Rheinmetall entwaffnen“ war das Komitee für Grundrechte und Demokratie mit vier Demonstrationsbeobachter*innen vor Ort und hat das Protestgeschehen in Kassel vom 1. bis 3. September begleitet.
Das Bündnis „Rheinmetall Entwaffnen“ führte im Beobachtungszeitraum mehrere Versammlungen durch.
Insgesamt haben die Beobachter*innen vier dieser Versammlungen begleitet. Auch das mehrtägige Protestcamp, das ebenso den Grundrechtsschutz der Versammlungsfreiheit genoss, wurde im Rahmen der Beobachtung besucht. Zudem wurden die An- und Abreisen der Demonstrierenden zu den Versammlungen begleitet.
Über die Beobachtungstage hinweg zeigte sich ein sehr stark variierendes Bild der beobachteten Polizeiarbeit, das sich unabhängig vom Verhalten der Versammlungsteilnehmer*innen manifestierte:
Auf der einen Seite konnten zwei kurzfristig einberufene Demonstrationen durch die Innenstadt nahezu unbehelligt von polizeilichen Eingriffen abgehalten werden. In anderen Versammlungssituationen missachtete die Polizei von Beginn an rechtliche Vorgaben, eskalierte und wendete in ruhigen Momenten unangekündigte und brutale Gewalt gegen Versammlungsteilnehmer*innen an.
Insbesondere bei Versammlungen, die schon länger im Vorfeld angemeldet waren, fiel die starke Präsenz von militärisch anmutenden Polizeieinheiten auf. So war etwa bei der Demonstration „Gegen Aufrüstung und Militarisierung“ am Samstag, 3. September, eine große Anzahl an BFE-Einheiten vor Ort, die auf das Festnehmen von Personen spezialisiert sind.
Die Versammlung wurde schon von Beginn an anlasslos von verschiedenen Einheiten mit Handkameras abgefilmt, auf Nachfrage wurde dies jedoch geleugnet. Vermutlich als Reaktion auf das Abbrennen einzelner Rauchtöpfe eskalierte die Polizei inmitten der Fußgänger*innenzone und schlug mit rund 15 behelmten Beamt*innen und Schlagstöcken auf Demonstrierende ein.
Nachdem die Abschlusskundgebung beendet war und die Teilnehmenden abreisten, wurden zwei Personen brutal festgenommen, einer von ihnen gegen einen Polizeiwagen geschubst, ein weiterer durch eine Einkaufspassage gejagt. Es kann unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten keine Begründung für ein solch gewaltvolles Vorgehen in aus unserer Sicht vollkommen übersichtlichen Situationen geben.
„Wir haben den Eindruck gewonnen, dass in Kassel allein die Polizei entschieden hat, wann es zu einer Eskalation kommt – unabhängig vom Verhalten der Protestierenden. Während einzelne, auch spontane Versammlungen, ungehindert laufen konnten, gab es in anderen Situationen ein aggressives Auftreten der Polizei sowie einen schnellen Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray – und das, obwohl die Demoteilnehmer*innen sich ähnlich verhalten haben.
Es manifestierte sich für uns der Eindruck, dass bereits mit der Entscheidung für den Einsatz bestimmter Einheiten polizeiseitig festgelegt war, wie die Polizeiarbeit verlaufen würde. Um es kurz und bündig zu sagen: es war die Polizei, die Gewalt in die Versammlungen trug“, kommentiert Michèle Winkler vom Grundrechtekomitee.
Auch in Situationen, die sich spontan entwickelten, war für die Beobachter*innen deutlich ersichtlich, wie schnell und unangekündigt die Beamt*innen zu gewaltvollen Mitteln griffen, anstatt eine Situation durch Kommunikation oder Ruhe zu deeskalieren.
„Als rund 30 Personen spontan eine Sitzblockade als Protest gegen die Festnahme eines Teilnehmers einrichteten, gingen die Beamt*innen unvermittelt mit körperlicher Gewalt vor. Während die Durchsagen der Polizeisprecher*innen noch freundlich auf mögliche Gefahren durch den laufenden Verkehr hinwiesen, behelmten sich die Polizist*innen bereits und gingen aggressiv auf vor ihnen sitzende Demonstrierenden los, um diese rabiat schubsend auseinander zu treiben.
Nach geltendem Recht hätte es einer Ansprache und eines Platzverweises bedurft, bevor die Beamt*innen hätten Gewalt anwenden dürfen. Aber selbst dann wäre nicht Schubsen das verhältnismäßige Verhalten gewesen, sondern das Wegtragen“, so Winkler weiter.
Zeitnah wird zur umfangreichen Auswertung und Einordnung der Beobachtungen unser Bericht veröffentlicht.