Das Komitee für Grundrechte und Demokratie beobachtet das Verfahren gegen Fabio V. und fordert ein Ende der U-Haft + Auch vierter Prozesstag bringt kein belastendes Material zu Tage + Forderung nach unabhängiger G20-Untersuchungskommission aktueller denn je.
Das Komitee für Grundrechte und Demokratie kritisiert die unvermindert andauernde Untersuchungshaft des 18-jährigen Fabio Vettorel scharf. Wir fordern das Gericht auf, dem heute erneut durch die Verteidigung gestellten Antrag auf Beendigung der U-Haft zu folgen. Auch am vierten Verhandlungstag konnte Fabio V. keine unmittelbare Beteiligung an Würfen oder sonstigen strafrechtlich relevanten Tatbeständen nachgewiesen werden. Keiner der bisher vier vernommenen Polizeizeugen konnte Fabio belasten oder sich auch nur an seine Anwesenheit im Demonstrationszug erinnern. Des Weiteren konnten diese auch keine einheitliche Schilderung der Situation abgeben. Vor allem bezüglich eines vermeintlich „kurzen und massiven“ Steinwurfes an der Kreuzung „Schnackenburgallee – Rondenbarg“ unterscheiden sich die Aussagen der Polizisten untereinander und weichen zudem von dem in der Hauptverhandlung gezeigten Videomaterial ab. Ein weiterer junger Mann, Konstantin P., wurde am Montag aus der Haft entlassen, da es keinen hinreichenden Tatverdacht mehr gebe. Dies trifft ebenso auf Fabio V. zu, auch wenn die Staatsanwaltschaft verbissen an den sichtbar konstruierten Vorwürfen festhält.
Michèle Winkler, die vom Komitee für Grundrechte und Demokratie seit dieser Woche als Prozessbeobachterin entsandt wurde, stellt fest: „In den letzten beiden Tagen haben die Prozessbeteiligten alle Fragen rund um die gewaltsame Demonstrationsauflösung am Rondenbarg erörtert, allerdings ohne auch nur einmal auf die Rolle des Fabio V. einzugehen. Allein die Verteidigung stellte die Frage, ob die Zeugen Fabio je gesehen hätten, was alle vier verneinten. Das zeigt nochmals deutlich, dass gegen Fabio keine Beweise vorliegen und seine U-Haft zu keinem Zeitpunkt gerechtfertigt war.“
Nachdem schon im Vorfeld des G20-Gipfels jegliche Proteste kriminalisiert wurden, die Polizei vor und währenddessen gerichtliche Entscheidungen und Dienstvorschriften grob missachtete, Grundrechte wie Versammlungs- und Pressefreiheit unterminierte und mit teils unvorstellbarer Gewalt vorging, kann leider auch jetzt bei der juristischen Aufarbeitung nicht von unabhängiger Aufklärung der G20-Protest-Tage gesprochen werden. Die Judikative setzt den seit Monaten geführten Kurs fort, die Protestteilnehmenden zu diffamieren und unverhältnismäßig gegen sie vorzugehen. Fabios gesamtes Verfahren ist neben dem ersten Urteilsspruch durch Richter Krieten nur eines der klarsten und schockierendsten Beispiele.
Das Komitee für Grundrechte erneuert und bekräftigt daher die Forderung nach der Bildung einer unabhängigen Untersuchungskommission, welche schon im Schlusswort der Veröffentlichung zur von uns organisierten Demonstrationsbeobachtung während der Gipfelproteste vertreten wurde.
Köln/Hamburg, 15. November 2017