Köln | Berlin, am 2. November 2021
Gemeinsame Presseerklärung des Komitees für Grundrechte und Demokratie, der Initiative Kein Generalverdacht und der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP)
Ein Ende der Shishabar-Razzien ist überfällig. Schluss mit der rassistischen und grundrechtswidrigen Clan-Debatte.
Schwer bewaffnete Razzien in Shishabars und migrantischen Cafés sind mittlerweile Alltag für viele Menschen in Großstädten wie Berlin, Köln und Essen. Befeuert von einem durch Rassismus und Generalverdacht geprägten Medienspektakel sind sie seit 2018 ein Kernelement staatlicher Repression gegen migrantisierte Gruppen. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie, die Initiative Kein Generalverdacht und die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) fordern ein Ende dieser stigmatisierenden Praxis.
Mit der jüngsten Ankündigung der designierten Neuköllner Stadträtin für Ordnung Sarah Nagel (LINKE), die Razzien beenden zu wollen, ist die rassistische Clan-Debatte neu entflammt. Mit Nebengefechten über Zuständigkeiten wird vom eigentlichen Problem abgelenkt: der Stigmatisierung migrantisierter Gruppen als kriminell. Politiker*innen und Medien behaupten pauschal, es ginge um "organisierte Kriminalität". Dabei subsumieren polizeiliche Statistiken eine wilde Mischung von Vergehen unter die sogenannte "Clan-Kriminalität" - von Brandschutzmängeln über Hygieneverstöße bis hin zu Verkehrsdelikten.
"Die Regierung kriminalisiert pauschal migrantisierte Stadtteile, deren Bewohner*innen und Gewerbetreibende unter dem Schlagwort der sogenannten "Clan-Kriminalität". Die dortigen übermäßigen Kontrollen nutzen sie wiederum, um weiteres gewaltvolles, rassistisches und stigmatisierendes Vorgehen ihrerseits zu legitimieren. So schaffen sie eine selffulfilling prophecy - denn wo mehr kontrolliert wird, werden auch mehr Verstöße gefunden. Das gibt der Polizei wiederum die Basis für noch überzogenere Kontrollen. Dieser Teufelskreis muss enden." erklärt Lina Schmid der KOP.
Mohammed Chahrour von der Initiative Kein Generalverdacht ergänzt: „Die Shishabar-Razzien sind unverhältnismäßig, willkürlich und rassistisch. Anlasslose Gewerbekontrollen werden über die polizeiliche Amtshilfe zu Riesen-Einsätzen aufgebauscht. Festgestellt werden hauptsächlich Bagatelldelikte ohne inneren Zusammenhang. Ein Ende dieser stigmatisierenden Praxis ist längst überfällig. Wir begrüßen, dass Frau Nagel andere Töne anschlägt. Sippenhaft darf kein Leitmotiv von Politik sein. Wir werden kritisch verfolgen, ob sie ihr Versprechen wahrmacht. Die Nagelprobe steht noch aus."
Die sogenannte Clan-Debatte hat gängige rassistische Denkmuster neu verpackt und damit für die politische Mitte und breite Öffentlichkeit akzeptabel gemacht. Über das Konzept der sogenannten "Clan-Kriminalität" ist unwidersprochen ein kausaler Zusammenhang von Kriminalität und Herkunft etabliert worden.
Dazu Michèle Winkler vom Grundrechtekomitee: „Die Clan-Debatte und das darauf aufbauende staatliche Handeln verletzen die Grundrechte einer großen Anzahl von Menschen. Die gezielte polizeiliche Fokussierung bestimmter Personen aufgrund ihrer Herkunft, ihres Namens oder ihrer zugeschriebenen Kultur ist unvereinbar mit dem Schutz der Menschenwürde und dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Das Konstrukt sogenannter "Clan-Kriminalität" befeuert rassistische Ressentiments. Als Menschenrechtsorganisation müssen wir uns hier einmischen.“
Die Initiative Kein Generalverdacht, die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) und das Komitee für Grundrechte und Demokratie haben sich zusammen gefunden, um gemeinsam kritisch in die sogenannte Clan-Debatte zu intervenieren. Im Sommer 2021 organisierten die drei Organisationen die Veranstaltungsreihe "Von Polizeischikanen und Stigmatisierung - Die verheerenden Folgen des rassistischen Konstrukts der sogenannten 'Clankriminalität'".