Der aktuelle Entwurf der Bundesregierung für ein verschärftes Infektionsschutzgesetz enthält unter anderem nächtliche Ausgangssperren von 21 bis 5 Uhr als eine der Maßnahmen zur Einschränkung der Corona-Pandemie. Diese sollen in allen Landkreisen und kreisfreien Städten ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 gelten, es sei denn, der Aufenthalt außerhalb der eigenen Wohnung ist begründet. Ausnahmen sollen nur etwa für medizinische Notfälle oder den Weg zur Arbeit gelten.
Das Grundrechtekomitee lehnt Ausgangssperren ab und fordert, diese aus dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung und allen sonstigen Maßnahmenkatalogen zu entfernen.
Ausgangssperren stellen einen weiteren Schritt in der schon jetzt umfänglichen Reglementierung des Privatlebens dar, während diverse Bereiche der Wirtschaft, insbesondere Großbetriebe, weiterhin vielfach von pandemiebedingten Vorschriften unbehelligt bleiben.
Ausgangssperren schränken darüber hinaus nicht nur die Bewegungsfreiheit aller ein, sie bringen vor allem marginalisierte und vulnerable Gruppen in Gefahr. Denn Ausgangssperren dienen insbesondere der Vereinfachung der Kontrolle von Individuen im öffentlichen Raum. Derartige Kontrollen richten sich erfahrungsgemäß weniger gegen eine wohlhabende Mehrheitsgesellschaft, sondern überproportional gegen Jugendliche und Zugehörige marginalisierter Gruppen, wie etwa von Rassismus betroffene Menschen, Wohnungslose oder Menschen in ärmeren Stadtteilen.
Britta Rabe, Referentin des Grundrechtekomitees, kommentiert: „Ausgangssperren sind nichts anderes als ein Freibrief für Schikane, Willkür und Gewalt durch die Polizei. Es ist klar, wen diese Schikane trifft: Gruppen, die nicht Teil der bürgerlichen weißen Mehrheitsgesellschaft sind. Ausgangssperren verschärfen Racial und Social Profiling.“
In dem Wissen, dass Ausgangssperren zudem oft kaum effektiv auf das Pandemiegeschehen wirken, wie auch die Gesellschaft für Aerosolforschung in einem offenen Brief jüngst ausgeführt hat, fehlen rechtsstaatliche Argumente für Begründung dieses massiven Grundrechtseingriffs .
Sollten Ausgangssperren in das Infektionsschutzgesetz aufgenommen werden, ermutigen wir zum Beschreiten des Rechtswegs. Es wäre zu hoffen, dass möglichst viele Gerichte der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 7. April 2021 folgen. Dieses hatte Ausgangsbeschränkungen im Eilverfahren für „voraussichtlich rechtswidrig“ erklärt.