Der Bundestag hat am 31. Januar 2013 über zahlreiche Bürgereingaben entschieden unter anderem auch über zwei Sammelpetitionen des Grundrechtekomitees. Darunter die Sammelpetitionen zur Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes vom 20. Oktober 2008, die 3.461 Bürger/innen mitunterzeichnet haben, und derjenigen zur Ratifizierung der „Internationalen Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen“ vom 21. Juni 2004, der sich über 1.200 Bürgerinnen und Bürger sowie wie zahlreiche Bürger- und Menschenrechtsorganisationen angeschlossen haben.
Die Petitionen sind nun nach langer Beratungszeit abgeschlossen. Den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger, ein menschenrechtsgemäßer Umgang mit Asylsuchenden und Arbeitsmigranten, ist das Parlament jedoch nicht nachgekommen.
Wenn’s dem Parlament der Menschenrechte genug ist!
Ein Kommentar von Thomas Hohlfeld und Dirk Vogelskamp
Wenn’s dem Parlament der Menschenrechte genug ist!
Die Vertreter der Finanzindustrie finden allzu leicht und nahezu unbeschränkt Zugang zur Bundesregierung, wie die Frankfurter Rundschau vom 20. Februar 2013 unter dem Titel „Bankenrepublik Deutschland“ über einen internen Regierungsbericht meldete. Die Bürgerinnen und Bürger hingegen bringen Ihre Anliegen in Eingaben vor (Art. 17 GG) und dürfen hoffen, in angemessener Zeit Gehör zu finden. Entschieden hat nun der Bundestag am 31. Januar 2013 über zahlreiche Bürgereingaben unter anderem auch über zwei Sammelpetitionen des Grundrechtekomitees. Darunter die Sammelpetitionen zur Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes vom 20. Oktober 2008, die 3.461 Bürger/innen mitunterzeichnet haben, und derjenigen zur Ratifizierung der „Internationalen Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen“ vom 21. Juni 2004, der sich über 1.200 Bürgerinnen und Bürger ebenso angeschlossen haben wie zahlreiche Bürger- und Menschenrechtsorganisationen.
Die Verweil- und Beratungszeit der nun beendeten Petitionsverfahren betrug in dem einen Fall über vier Jahre, im andern fast neun Jahre. Die Bürgerinnen und Bürger haben geduldig zu sein. Im Juni 2004 forderten wir den Deutschen Bundestag auf, endlich das grund- und menschenrechtswidrige Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) abzuschaffen und den Asylsuchenden stattdessen grundsätzlich die üblichen sozialrechtlichen Leistungen zuzugestehen. Abschließend heißt es in der Petition: „Diese systematische Diskriminierung von Menschen im Namen des Rechts muss beendet werden. Sie ist mit den Menschenrechten unvereinbar, die laut Grundgesetz unmittelbar gelten. Sie verletzt die Würde der Menschen.“ Der Petitionsausschuss hat die Entscheidung auf die lange Bank geschoben. Die Mehrheit des Parlaments hatte es zwei Mal abgelehnt, das rassistische Sondergesetz abzuschaffen.
Erst als das Bundesverfassungsgericht beschied, dass ein halbiertes menschenwürdiges Existenzminimum für Flüchtlinge und Asylsuchende mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sei (BVerfG, 1 BvL 10/10 vom 18.7.2012), musste eine Neuregelung des Asylbewerberleistungsgesetzes erarbeitet werden. Aus diesem Grund hat der Petitionsausschuss nun dem Parlament mehrheitlich empfohlen, die „Petition a) der Bundesregierung – dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales – als Material zu überweisen, b) den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben.“ Das Parlament ist dieser Empfehlung mehrheitlich gefolgt.
Das Petitionsverfahren ist nunmehr beendet. Das Bürgeranliegen aber bleibt: Denn trotz der Auflage des Bundesverfassungsgerichts, „unverzüglich“ eine verfassungskonforme Neuregelung zu beschließen, liegt bis heute nicht einmal ein in der Regierung abgestimmter Gesetzesentwurf vor. In einem Referentenentwurf zu Änderung des AsylbLG wird die Diskriminierung der Schutzsuchenden im Namen des Rechts fortgesetzt (z.B. in der Beibehaltung der medizinischen Notversorgung, im Sachleistungsprinzip, in den migrationspolitisch motivierten grundrechtswidrigen Sanktionsmöglichkeiten). Damit soll’s menschenrechtlich im Parlament genug sein.
Das Komitee für Grundrechte und Demokratie wollte mit der anderen Petitionsinitiative vom 2. Juni 2004, noch unter rot-grüner Bundesregierung, eine öffentliche und parlamentarische Debatte über die UN-Wanderarbeiter-Konvention in Gang setzen und damit die fortwährende Einschränkung fundamentaler Menschenrechte rechtlich illegalisierter und gesellschaftlich marginalisierter Arbeitsmigranten thematisieren.
Der Petitionsausschuss übernimmt mehrheitlich die Argumentation der Bundesregierung und hält die Ratifizierung der UN-Konvention für nicht angezeigt, da erstens die grundlegenden Menschenrechte im Zivil- und Sozialpakt niedergelegt seien, die „ bis auf wenige Ausnahmen ... auch für Ausländer“ gelten. Insofern könne man selbstverständlich davon ausgehen, dass diese Rechte auch gewährt werden. Darüber hinaus spreche gegen eine Ratifizierung der UN-Wanderarbeitnehmer-Konvention, dass sie Wanderarbeitnehmer einschließe, die sich unerlaubt aufhielten und unerlaubt einer Beschäftigung nachgingen. Mit ihr werde die Position derjenigen, die sich illegal aufhalten, „in einer Weise geschützt, die weit über das unbestrittene Erfordernis hinausgeht, ihnen grundlegende Menschenrechte zu gewähren.“ Eben dieses ist das zentrale Anliegen der Petition, in der es heißt: „Wider den phrasenhaften Gebrauch der Menschenrechte“.
Der Antrag der Fraktion die LINKE, die Petition der Bundesregierung und den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Berücksichtigung zu überweisen, ist mehrheitlich abgelehnt worden. Das Parlament hat sich dem Votum des Petitionsausschusses angeschlossen. Die Petition ist damit abgeschlossen. Sich auf die Menschenrechte zu berufen, gehört zur Rhetorik etablierter Politik. Wenn aber Menschen, die als Illegale abgestempelt und kriminalisiert werden, durch diese UN-Konvention „als denkende und fühlende Wesen und als Rechtssubjekte ernst“ genommen und geschützt werden (Petition), dann stoßen ihre Menschenrechte im Deutschen Bundestag und dessen Petitionsausschuss an harte migrationspolitische Grenzen. Die Bankenrettung erfolgte übrigens prompt, wie wir inzwischen wissen. Mit der Geltung der Menschenrechte in der BRD wird es wohl noch etwas dauern, solange wir uns mit den menschenrechtlichen Leerformeln der Politik abspeisen lassen.
Thomas Hohlfeld | Dirk Vogelskamp