„Rente für Gefangene“ am 18.12.2014 im Deutschen Bundestag:
Lassen Sozialdemokraten die „Rente für Gefangene“ scheitern?
Am 18. Dezember 2014 wird der Deutsche Bundestag u.a. über die Einbeziehung der arbeitenden Gefangenen in die Rentenversicherung entscheiden. Einen entsprechenden Antrag hat die Fraktion „Die Linke“ vorgelegt (BT-Drs. 18/2606). Der Antrag geht auch zurück auf eine Petitions-Initiative des Komitees für Grundrechte und Demokratie. Die entsprechende Forderung wurde von über 5.770 Personen, darunter über 3.420 betroffenen Gefangenen aus 65 verschiedenen Justizvollzugsanstalten, sowie von nahezu allen bundesweit tätigen Organisationen der Gefangenenhilfe unterzeichnet. Der Petitionsausschuss hatte im April dieses Jahres die Forderungen an die Bundes- und die Landesregierungen weitergeleitet.
Bereits vor 37 Jahren wurde im damals neuen Strafvollzugsgesetz von 1977 die Einbeziehung der Gefangenen in die Sozialversicherungen verbindlich vorgesehen (§§ 190ff StVollzG). Nur ist das entsprechende Bundesgesetz nie erlassen worden. Bis heute wird versucht, die sonderrechtliche Stellung der Gefangenenarbeit sowie finanzielle Gründe der Bundesländer als Gegenargumente geltend zu machen. Inzwischen hat der federführende Ausschuss für Arbeit und Soziales seine ablehnende Haltung (gegen die Stimmen der Linken und der Grünen) erneut deutlich gemacht (BT-Drs. 18/2784).
Aus Sicht von Menschenrechts- und Gefangenenhilfsorganisationen ist die Einbeziehung der Gefangenen in die Rentenversicherung eine notwendige Konsequenz aus dem Gleichheits- und Sozialstaatsprinzip: Prinzipien mit Verfassungsrang! Auch die Würde der arbeitenden Gefangenen wird durch die Exklusion aus den Sozialversicherungssystemen schwer verletzt. Der Ausschluss, der einer Zusatzbestrafung gleichkommt, widerspricht zudem den Forderungen des Strafvollzugsgesetzes nach Resozialisierung und Angleichung der Lebensverhältnisse.
Die abgenutzten Argumente der Regierungsparteien gegen die Renten-Einbeziehung werden durch Wiederholungen nicht besser. Die Arbeitspflicht, die zudem aktuell in einigen Strafvollzugsgesetzen der Länder abgeschafft wird, war schon 1977 kein Hindernis für die prinzipielle Einführung der Rente für Gefangene. Und die Länderfinanzen werden bis zum St.-Nimmerleinstag nicht überquellen. Die reichlichen Gewinne aus der Gefangenenarbeit werden allerdings meist verschwiegen (z.B. NRW ca. 50 Millionen Euro jährlich). Es ist jetzt endlich an der Zeit, diese minimale, aber notwendige Korrektur im Sozialstaatsgefüge der Bundesrepublik vorzunehmen. Wenn es um Prinzipien mit Verfassungsrang und um die Menschenwürde geht, dürfen finanzielle Erwägungen nicht das letzte Wort haben. Selbst die schwarz-gelbe Bundesregierung hatte noch 2011 betont, dass sie die Einbeziehung der Gefangenen in die Rentenversicherung „weiterhin für sinnvoll“ erachte (BT-Drs. 17/6589).
Die Sozialdemokraten sind inzwischen im Bundesrat mehrheitlich mitregierend. Dieses politische Gewicht könnten sie geltend machen. Wenn der Wortlaut des vorgelegten Gesetzentwurfes oder Einzelheiten nicht passen, haben die SPD bzw. die Regierungsparteien die Pflicht, eine Gesetzesalternative vorzulegen, die die Hauptforderung nach 37 Jahren Untätigkeit bzw. Blockadepolitik endlich einlöst.
Martin Singe, AG Strafvollzug im Komitee für Grundrechte und Demokratie