Bundeswehr-Oberst Klein hatte am 4.9.2009 US-Kampfjets angewiesen, zwei Tanklaster zu bombardieren. In den Flammen starben ca. 140 Menschen, die meisten von ihnen Zivilisten. Oberst Klein hatte bei der Anordnung des Bombardements viele Einsatzregeln verletzt und auch einen von den US-Piloten verlangten Vorab-Drohflug (show on force) abgelehnt. Dennoch hat die Generalbundesanwaltschaft sämtliche Klagen bzw. Strafverfahren niedergeschlagen oder gar nicht erst eröffnet. Nun will das Bonner Gericht versuchen, die mörderische Tat doch noch gerichtlich aufzuklären.
Das Komitee für Grundrechte und Demokratie beobachtet den Prozess. Opfer des NATO-Bombardements haben vor dem Landgericht Bonn (Hauptsitz des Verteidigungsministeriums) auf Schadensersatz geklagt. Ein Vater von zwei getöteten Kindern fordert 40.000,- Euro Schmerzensgeld, eine Frau mit sechs Kindern, deren Mann getötet wurde, fordert eine Entschädigung von 50.000,- Euro. Weitere Schadensersatzklagen sind denkbar. Die Bundesregierung hat gefordert, die Klagen abzuweisen, da das Gericht gar nicht zuständig sei. Dem ist das Gericht aber nicht gefolgt.
Nach der Verfahrenseröffnung am 20.3.2013 hat das Gericht am 17.4. in einer Beschlussverkündung mitgeteilt, dass es den Hergang des Bombardements im Rahmen einer Beweisaufnahme aufklären wolle. Das Bonner Landgericht hält die deutsche Gerichtsbarkeit für zuständig. Die Bundesregierung als Anstellungskörperschaft (für Oberst Klein) sei auch die richtige Beklagte. Nach den Grundsätzen der Amtshaftung hafte die Bundesregierung ggf. für die von Oberst Klein verursachten Schäden. Das Gericht will vor allem prüfen, ob ein schuldhafter Verstoß gegen die Genfer Konventionen zum Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten vorliege. Dabei wird es vor allem darum gehen, die Anwendung des sog. Verhältnismäßigkeitsprinzips bei diesem Einsatz zu überprüfen. Die Bundesregierung wurde angewiesen, sämtliches Videomaterial und alle Tonaufnahmen (Gespräche zwischen Bomberpiloten, Flugleitoffizieren, usw.), die der Entscheidung von Oberst Klein zugrunde lagen, dem Gericht vorzulegen. Außerdem sollen verschiedene Zeugen geladen werden, auch aus Afghanistan. Dadurch verzögere sich die Fortsetzung des Prozesses. Voraussichtlich beginnt im August/September 2013 die konkrete Beweisaufnahme und Zeugenvernehmung.
Martin Singe