Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen beabsichtigt, mindestens 83 Millionen im Landeshaushalt 2025 einzusparen, allesamt zu Lasten des sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhalts. Die darin enthaltende geplante Streichung der Fördermittel für Angebote von Freien Trägern des Täter-Opfer-Ausgleichs sowie der Straffälligenhilfe in NRW sendet ein verheerendes Signal und lässt wichtige soziale Initiativen im Stich.
Wir schließen uns der ausführlichen und fundierten Kritik der Fachstelle für Täter-Opfer-Ausgleich und Konfliktregelung als auch des DBH-Fachverbandes für Soziale Arbeit, Strafrecht und Kriminalpolitik an, die die schwerwiegenden Folgen der Kürzungen im Detail darstellen.
Als Unterzeichnende warnen wir vor den Konsequenzen einer Streichung der Förderungen des Täter-Opfer-Ausgleichs sowie der Straffälligenhilfe in NRW. Dadurch werden fachlich angeleitete, bewährte Konzepte von persönlicher Konfliktvermittlung für Betroffene und Ausübende von Gewalt und damit auch gesellschaftlicher Auseinandersetzung aktiv zerstört.
Mit dieser Entscheidung wird rein sanktionierenden Lösungen als Reaktion auf Gewalttaten Vorschub geleistet, die vornehmlich auf Eskalation und auf Gewalt setzen und langfristig gesellschaftlichen Schaden eher reproduzieren als für Konfliktfähigkeit, Wiedergutmachung und damit für die Sicherheit von Menschen zu sorgen
Die faktische Zerstörung der Freien Träger des Täter-Opfer-Ausgleichs sowie der Straffälligenhilfe in NRW sendet zugleich eine falsche Botschaft an die Öffentlichkeit, indem sie die gesellschaftlich relevante Praxis der Konfliktvermittlung sowie eine Unterstützung von straffällig gewordenen Menschen insgesamt als gesellschaftlich nicht relevant definiert.
Die geplanten Einsparungen bedeuten eine Politik der gezielten gesellschaftlichen Verelendung. Zusammen mit dem kürzlich beschlossenen autoritären „Maßnahmenpaket“ der schwarz-grünen Landesregierung – als Antwort auf den tödlichen Anschlag in Solingen vom 23. August 2024 – erteilen sie damit Grund- und Menschenrechten eine fatale Absage. Damit folgt die NRW-Regierung dem gefährlichen autoritären Vorgehen des Bundes, das letztlich schrittweise eine weitgehende Entrechtung für bestimmte Menschengruppen vorsieht. Die Landesregierung entschied sich etwa für den Bau eines zweiten Abschiebungsgefängnisses in NRW – dafür können also Mittel im Landeshaushalt bereitgestellt werden?
Die regierenden Parteien tragen bereits massiv zu rassistischer Stimmungsmache bei und agieren weitgehend ohne sachliche Basis, denn eine wirkliche Sicherheit für Menschen in NRW wird mit dem „Maßnahmenpaket“ nicht hergestellt. Im Gegenteil werden Maßnahmen zur Gewaltprävention wie Demokratiebildung, Antidiskriminierungsangebote wie auch die gesamte soziale Frage auf fahrlässigste Weise vollständig ausgeklammert.
Wir sehen mit Besorgnis, wie straffällig gewordene Menschen gesellschaftlich zunehmend als inhärent “kriminell“ abgestempelt und dauerhaft ausgeschlossen werden – dies wird mit der zunehmend auf autoritäre Maßnahmen zurückgreifenden Landes- und Bundespolitik weiter forciert.
Wir fordern den Erhalt der Freien Träger von Täter-Opfer-Ausgleich und Straffälligenhilfe sowie eine Abkehr von der Einsparungspolitik zu Lasten marginalisierter Gruppen insgesamt.
Unterzeichnende
Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
Autonomes Knastprojekt Köln
Prof. Dr. Helmut Pollähne, Strafverteidiger
Prof. i.R. Dr. Otmar Hagemann, Fachhochschule Kiel
Gundel Berger, Juristin, Magdeburg
Prof .Dr. Johannes Feest
Pedro M.J. Holzhey, Geschäftsführung SET-FREE e.V.
Angelika Lang, Kriminologin