Mit einem Offenen Brief wenden sich das Komitee für Grundrechte und Demokratie, der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein, die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen, die Humanistische Union und die Liga für Menschenrechte an die Regierungsfraktionen der Hamburgischen Bürgerschaft. Sie befürchten, dass die Stadt Hamburg anlässlich des G20-Gipfeltreffens Anfang Juli 2017 in einen Ausnahmezustand versetzt wird. In einer Demokratie darf weder das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ausgehebelt, noch die Bewegungsfreiheit der Bürger und Bürgerinnen massiv eingeschränkt werden:
Sehr geehrte Abgeordnete der Regierungsfraktionen in der Hamburgischen Bürgerschaft,
mit dem G20-Gipfel am 7./8. Juli 2017 haben Sie sich ein schwer zu handhabendes Treffen hochrangiger Politiker*innen in die Stadt geholt.
Die Politik der G20 wie auch die Politik der Vertreter*innen vieler Staaten rufen breite Pro-teste hervor. Regierungen müssen grundsätzlich eine solche Kritik an ihrer Politik aushalten, denn Demokratie lebt von der gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Meinungs- und Ver-sammlungsfreiheit zählen zu den „unentbehrlichen und grundlegenden Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens“.
Mit Sorge hören wir, dass das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit in der Stadt Hamburg während und vor dem Gipfel außer Kraft gesetzt werden soll. Am Wochenende, 8./9. April 2017, wurde bekannt, dass der gesamte Innenstadtbereich (die so genannte Blaue Zone) nicht für Versammlungen zur Verfügung stehen soll. Auch das für solch große Versammlungen einzig geeignete Heiliggeistfeld solle für alle Versammlungen gesperrt werden. Dies bedeutete die Abschaffung des Versammlungsrechts. Auch wenn danach andere Signale gesandt wurden und Justizsenator Till Steffen (Grüne) am Dienstag, 11. April 2017, bekannt gab, dass es kein Demo-Verbot in der Hamburger Innen-stadt geben wird, bleiben unsere Sorgen bestehen. Zu befürchten ist, dass neue Wege der massiven Einschränkung gesucht und neue Verbote möglich gemacht werden könnten.
Eine Stadt, die sich ein solches Gipfeltreffen in die Stadt holt, darf damit nicht einen Ausnahmezustand in Kauf nehmen, der zur Aussetzung grundlegender Freiheitsrechte der Bür-ger*innen führt. Würden Grundrechte nur in guten und unkomplizierten Zeiten gelten, wä-ren es keine Grundrechte und hätte ihre verfassungsmäßige Garantie keinerlei Wert. Sicher-heitsinteressen des Staates können die Grundrechte, die Freiheitsrechte der Bürger*innen sind, nicht verdrängen. Demokratie verliert jede Substanz, wenn Sicherheitsinteressen die verfassungsmäßigen Freiheitsrechte aushebeln.
Wir, bundesweit aktive Bürgerrechtsorganisationen, fordern Sie auf, ernsthaft dafür Sorge zu tragen, dass Meinungs- und Versammlungsfreiheit, wie auch Bewegungsfreiheit für die Bür-ger*innen, während dieses Gipfels gewährleistet werden. Als Abgeordnete sind Sie der De-mokratie verpflichtet.
Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ist Garant einer demokratischen Grundordnung. Orientierung gibt noch immer das Bundesverfassungsgericht, das in seinem Brokdorf-Beschluss formulierte, dass „das Recht, sich ungehindert und ohne besondere Erlaubnis mit anderen zu versammeln, (…) seit jeher als Zeichen der Freiheit, Unabhängigkeit und Mündig-keit des selbstbewussten Bürgers“, gilt. Wir werden das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auf die uns jeweils zur Verfügung ste-hende Weise verteidigen und die Entwicklungen genau beobachten. Wir fordern Sie auf, uns über den Fortgang zu informieren.
Die Bürgerrechtsorganisationen werden sich rund um den G20-Gipfel auf ihre je unterschiedlichen Weisen für die Verteidigung der Grundrechte, insbesondere das auf Versammlungsfreiheit, einsetzen.
- Humanistische Union e.V.
- Internationale Liga für Menschenrechte e.V.
- Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
- Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
- Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.