Es ist nichts Neues, das die Exekutive versucht, die Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit außer Kraft zu setzen, wenn ihr Meinungen nicht passen. Diesmal stört das 24. Internationale Kurdische Kulturfestival, das im RheinEnergieStadion in Köln am 3. September 2016 stattfinden soll(te). Es schien einfach zu sein. Man brauchte gar kein juristisch schwieriges Versammlungsverbot aussprechen, sondern der Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies „empfahl“ der Sportstätten GmbH, die zugesagte Unterzeichnung des Veranstaltungsvertrages mit dem Demokratischen Gesellschaftszentrum der Kurdinnen und Kurden in Deutschland (Nav-Dem) zurückzuziehen. Man muss die unüberprüfbare Gefahrenprognose nur ein wenig hochschrauben, dann folgt ein solches Unternehmen willig. Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) verteidigte die Entscheidung, und ob der Verfassungsschutz schon vorher auf eine Verhinderung gedrungen hat, spielt kaum eine Rolle. Im Namen Erdogans hatte die türkische Generalkonsulin jedenfalls schon ein Verbot gefordert.
Versammlungs- und Meinungsfreiheit sind „unentbehrliche und grundlegende Funktionselemente eines demokratischen Gemeinwesens“, schrieb das Bundesverfassungsgericht im Brokdorf-Beschluss von 1985, seiner Grundsatzentscheidung zum Versammlungsrecht. Sie müssen gerade dann verteidigt werden, wenn gegensätzliche Meinungen aufeinander prallen. Dazu, so weiter das Verfassungsgericht, „gehören auch solche mit Demonstrationscharakter, bei denen die Versammlungsfreiheit zum Zwecke plakativer oder aufsehenerregender Meinungskundgabe in Anspruch genommen wird.“
Das Bundesverfassungsgericht hat schon mehrfach geurteilt, dass Verbote von Demonstrationen und auch diese einschränkende Auflagen massive Eingriffe in die Freiheitsrechte darstellen und damit die Demokratie in ihrem Fundament gefährden. Für solche Eingriffe, müssen habhafte Belege für eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit vorliegen, sie müssen benennbar und überprüfbar sein. Vermutungen reichen keineswegs aus. Erst recht kann eine Versammlung nicht verboten werden, weil andere diese Versammlung bedrohen könnten. Die Polizei nennt als Begründung für die Hintertreibung des Kulturfestes vor allem die Befürchtung, türkische Nationalisten könnten die Kurden angreifen. In einem solchen Fall wäre es die demokratische Aufgabe der Polizei, die Veranstaltung zu schützen, nicht sie zu verhindern. Auch Gegendemonstrierende stehen unter dem Schutz des Grundrechts auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit, solange sie ihr Anliegen „friedlich und ohne Waffen“ vorbringen, wie es im Grundgesetz heißt.
Noch vor wenigen Wochen blickte „Köln“ mit Sorge auf eine Demonstration, mit der die Politik Erdogans unterstützt werden sollte. Wie so häufig kam die Frage auf, ob es notwendig wäre, mit einem Verbot dieser oder der Gegendemonstrationen gesellschaftliche Befriedung herzustellen. Letztlich siegte weitgehend die demokratisch-grundrechtliche Vernunft. Einen Teil der einschränkenden Auflagen hatten auch hier erst die Gerichte aufgehoben. Am 31. Juli 2016 haben 30.000 Anhänger Erdogans am Kölner Rheinufer demonstriert. Kurdische Organisationen hatten explizit auf eine Gegendemonstration verzichtet. Andere Gegendemonstrationen konnten stattfinden. Die Polizei twitterte letztlich ihren Dank für friedliches Verhalten und wünschte gute Heimreise.
Es ist höchst bedauerlich, dass die Sportstätten GmbH sich so hat unter Druck setzen lassen. Sie muss dies neu überdenken und darf sich nicht von der Stadt Köln gegen die Kurden instrumentalisieren lassen.
Wieso die Polizei meint, eine „Versammlung unter freiem Himmel“, also auf der Straße statt im Stadion, wäre leichter zu schützen, bleibt das Geheimnis der Kölner Polizei. Die demokratische Solidarität gilt den Kurden und Kurdinnen – ihr Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit gilt es zu verteidigen.