„Wenn das Label ‚demokratischer Rechtsstaat‘ mehr sein soll als eine Werbeformel für die etablierte Ordnung, dann muss dieser Staat vor allem eines tun: die staatliche Autorität und Gewalt in enge Grenzen setzen.“
Zitat aus: Heiner Busch, Der Staat als Gefährder. Die neuen Polizeigesetze, in: Politik im autoritären Sog. Dossier zu Grundrechten in Zeiten des Rechtsrucks, hrsg. Weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen, 2018 – 2020.
In tiefer Trauer erinnern wir an einen warmherzigen Freund und Weggefährten, einen intellektuellen und praktisch orientierten Mitstreiter und schließlich an einen unermüdlichen „Polizeiforscher“, der Gesetze, Erlasse und EU-Dokumente gründlich studierte. Wir erinnern, dass er immer einen Stapel offizieller EU-Dokumente und Texte in der Tasche mitführte, die er las und bearbeitete. Als junger und promovierter Politikwissenschaftler arbeitete er unter anderem in dem 1978 gegründeten „Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit“ und gab späterhin als Redakteur weit über einhundert Hefte der Zeitschrift des Instituts „Bürgerrechte & Polizei (CILIP)“ mit heraus, für die er unzählige Artikel verfasste, auch noch in diesem Jahr. Anfangs noch als Newsletter herausgegeben, entwickelte sich die Zeitschrift rasch zu einem breit rezipierten kritischen Organ zum regierungsamtlichen Themenfeld der „Inneren Sicherheit“, in welchem die Bürger:innenrechte mehr als vernachlässigt wurden und das seit Mitte der 1970er Jahre in der Auseinandersetzung mit den außerparlamentarischen und militanten Bewegungen politisch an Bedeutung gewann.
Zusammen mit seinen Kollegen am Institut ̶ Abrecht Funk, Wolf-Dieter Narr, Falco Werkentin und Udo Kauß ̶ veröffentlichte er 1988 das Standardwerk „Die Polizei in der Bundesrepublik Deutschland“ (Frankfurt a.M./New York). Seine polizeikritischen Arbeiten und Studien mündeten in verschiedenen Monographien wie zum Beispiel „Grenzenlose Polizei? Neue Grenzen und polizeiliche Zusammenarbeit in Europa“ (Münster 1995), in der er bereits sehr früh den Formen der internationalen „Kooperation“ sowie der Verpolizeilichung der Ausländer- und Asylpolitik in den Staaten der damaligen europäischen Gemeinschaft nachging. Eine weitere größere kritische Publikation hieß „Polizeiliche Drogenbekämpfung - eine internationale Verstrickung“ (Münster 1999). Neben der umfassenden Bearbeitung und kritischen Ausleuchtung der Polizei in all ihren Formen, beschäftigte er sich mit weiteren Themen, u.a. mit Rechtsradikalismus, mit Grenzregimen, mit Überwachung und Geheimdiensten, insbesondere dem deutschen Inlandsgeheimdienst. Er war auch einer der vehementen Kritiker der verfassungsschützerischen Zauberformel der FDGO (freiheitlich-demokratische Grundordnung) – er konnte wild werden, wollte man von ihm ein Glaubensbekenntnis zu eben dieser FDGO einfordern. Über die Jahre hat er zahlreiche Artikel zu diesen, seinen Themenfeldern im Grundrechte-Report, dem „alternativen Verfassungsschutzbericht“ und in vielen weiteren Publikationen, veröffentlicht.
Heiner Busch war immer auch aktivistisch unterwegs, unterstützte internationale und nationale Bürgerrechtsinitiativen und Bewegungen, hielt Kontakt zu ihnen und arbeitete mit ihnen zusammen (bspw. mit dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) und Statewatch – monitoring the state and civil liberties in Europe). So arbeitete er auch engagiert im Grundrechtekomitee mit, verfasste Artikel, beteiligte sich an Aktionen, Demonstrationen sowie Demonstrationsbeobachtungen. Er übernahm im Vorstand Verantwortung für die Gesamtgeschicke und politischen Positionierung des Vereins, späterhin zudem als Geschäftsführender Vorstand und Sprecher ̶ zuerst zusammen mit Volker Böge, dann mit Theo Christiansen und schließlich mit Michael Hiller. Er hat den Generationenumbruch im Grundrechtekomitee, dem er immer eng verbunden blieb, begleitet und aktiv gestaltet.
Mit seinen Überlegungen zur aktiven politischen Arbeit des Grundrechtekomitees, seinen Anregungen, seiner analytischen Schärfe und seinen Arbeiten hat er die kleine bürgerrechtliche Institution über mehr als zwei Jahrzehnte mitgeprägt. Die gesellschaftlichen Produktionsbedingungen von Gewalt, zumal seitens des Staates mit seinen militärischen und polizeilichen Gewaltapparaturen, zu analysieren, zu kritisieren und nach Möglichkeit gesellschaftlich einzudämmen, war sein zentrales Anliegen: Es ging ihm darum, den Zusammenhang von staatlicher Aufrechterhaltung kapitalistischer Herrschaft und Gewalt sichtbarzumachen, die für ihn besonders im inhumanen europäischen Umgang mit den weltweiten Flucht- und Migrationsbewegungen zum Ausdruck kommt. Sein politischer Horizont reichte weit über die bundesrepublikanische Gesellschaft hinaus: Zusammen mit Elke Steven und Wolf-Dieter Narr publizierte er 2004 im Grundrechtekomitee die Streitschrift „Die europäische Konstitution des Neoliberalismus: Für eine demokratische europäische Verfassungsbewegung“. Radikale Demokratie als Bedingung, Gewalt einzubinden und zu vermeiden.
Da Heiner Busch seit 1995 in der Schweiz lebte, engagierte er sich auch dort mit seinen Fähigkeiten und seinem Wissen politisch in der Initiative „Solidarité sans frontières“, leitet ihr Archiv und die Redaktion des gleichnamigen Bulletins. Aufgrund seiner immensen Kenntnisse und Scharfsinnigkeit war er viel beschäftigt und musste zudem noch als freier Journalist seine Brötchen verdienen (WOZ).
Was aber Heiner Busch ganz besonders auszeichnete, war sein Freundlichkeit, seine Herzenswärme und die vertrauensvolle Zugewandtheit, mit der er seinem Gegenüber begegnete. Er war arbeitsam, übernahm in allen seinen Wirkungsstätten viele Aufgaben, bei denen er sich manchmal auch übernahm. Unprätentiös, einfach im Auftreten machte er wenig Aufheben um seine fachliche Kompetenz. Er lachte gerne, war aber in Sachen Demokratie und Menschenrechte streng, ohne Streit zu suchen oder ihn provozieren zu wollen. Auf Ausgleich unter Kolleg:innen bedacht. Kollektiv Arbeiten konnte und wollte er. Und nach getaner Arbeit tranken wir mit ihm einen Roten und gaben uns der Leidenschaft, eine Zigarette zu rauchen, genüsslich hin, solange er das ärztlich noch durfte. Gesellige Gespräche bis tief in die Nacht. Mit Heiner Busch zusammenzuarbeiten fiel den meisten leicht, vielleicht, weil sich in dem Zusammenkommen Menschen begegnen konnten. Und weil er nie wertete, immer vertraute und unterstützte. Wir haben viel von ihm gelernt und das wird überdauern.
Ein Nachruf in Gedenken an Heiner Busch von Dirk Vogelskamp und Michèle Winkler
Das Beitragsfoto zeigt Heiner Busch zusammen mit Michèle Winkler im Oktober 2018 bei der großen unteilbar-Demonstration in Berlin.
Ein gekürzte Version des Nachrufs erschien am 30. September 2021 im Neuen Deutschland.
Einen weiteren Abschiedstext haben Tom Jennissen und Britta Rabe nach der Abschiesfeier in Bern verfasst, der auch in den Informationen 4-2021 veröffentlicht ist: „Schreiben Sie, dass ich unbequem war und es auch nach meinem Tode zu bleiben gedenke“