Die These ist alt, dass wir auf dem Weg in einen Polizeistaat, in einen „Sicherheitsstaat“ sind, bei dem die Effizienz der staatlichen Macht und Machtanwendung die oberste Priorität besitzt. Freiheitsrechte werden zugunsten vermeintlicher Sicherheit Schritt für Schritt eingeschränkt. Gewonnen wird damit keine Sicherheit, aber Demokratie und Freiheit bleiben auf der Strecke. Solchem Sicherheitsdenken ist die Versammlungsfreiheit per se suspekt – da schließen sich Bürger*innen zusammen, um gemeinsam das Grundrecht auf Meinungsfreiheit in Anspruch zu nehmen. Typischerweise kritisieren sie die Regierung, diejenigen, die die Macht in den Händen haben. Die Aufgabe der Polizei sollte es sein, die Rechte der Bürger*innen zu schützen, alles dafür zu tun, dass die Bürger*innen ihren Protest so zum Ausdruck bringen können, wie sie es wollen, gehört und gesehen werden können. Leider versteht sich die Polizei jedoch rein als Organ des Staates, der genau das zu verhindern hat, damit die Mächtigen nicht gestört werden.
Camps gehören zur Meinungs- und Demonstrationsfreiheit
Das deutlichste Zeichen des Versuchs, die Menschen von einer Teilnahme an den Protesten abzuhalten, ist der Versuch, jedwedes Camp in der Umgebung von Hamburg zu unterbinden. Ein Camp im Hamburger Stadtpark ist bereits verboten worden, um die Anmeldung im Altonaer Volkspark wird noch gerungen. Wer jedoch den G20 in die Stadt einlädt, lädt demokratisch zwangsläufig zugleich deren Kritiker*innen ein. Und so darf sich eine Stadt nicht nur um das körperliche Wohlergehen der Staatsgäste kümmern, sondern muss auch den Protestierenden Raum geben, in dem sie ihre Bedürfnisse befriedigen können, in dem sie ihr Leben gemeinsam organisieren können.
Dafür sind Camps notwendig. In diesen wird zunächst für das leibliche Wohl gesorgt, indem Toiletten und Waschgelegenheiten zur Verfügung gestellt werden, in dem die „Küche für alle“ ein finanziell erschwingliches Essen bereitstellt. Die Zelte geben das notwendige „Dach über dem Kopf“ mit Schutz vor Sonne und Regen. Längst ist klar geworden, dass man sich in solchen Kontexten auch um das psychische Wohlergehen kümmern muss. Dafür sorgt eine Gruppe „out of action“. Solche internationalen Protesttage, sind auch Tage der Begegnung, in denen entlang der inhaltlichen Schwerpunkte der verschiedenen Gruppen Diskussionsgruppen ermöglicht werden.
Der Streit um solche Camps ist alt. Das Klimacamp musste in NRW immer wieder um dieses Recht streiten. Am 16. April 2015 gab die Versammlungsbehörde immerhin beim Verwaltungsgericht Aachen zu Protokoll, dass die von ihr erteilten Auflagen nicht den Voraussetzungen des Versammlungsgesetzes entsprächen und sie diese zukünftig nicht mehr so erlassen würde. Wenige Tage vor dem G7-Treffen im oberbayerischen Schloss Elmau hob das Verwaltungsgericht München das Verbot eines Protestcamps auf einer Wiese am Ortsrand von Garmisch-Partenkirchen auf. Nur im absoluten Ausnahmefall sei ein repressives Totalverbot möglich.
„Vor dem Hintergrund der überragenden Bedeutung der mit friedlichen Mitteln verfolgten Meinungs- und Demonstrationsfreiheit für den demokratischen Rechtsstaat bleibt es bei der vom Bundesverfassungsgericht geforderten integrativen Bewältigung dieser Problemlage innerhalb des polizeilichen Sicherheitskonzepts (BVerfG v. 6.6.2007 a. a. O., juris Rn. 34). Das Camp steht wie erwähnt im infrastrukturellen und organisatorischen Kontext zur Ausübung der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit. Mangels konkreter Hinweise kann nicht unterstellt werden, dass alle oder im Wesentlichen alle Teilnehmer des Camps gewaltorientierte oder gewaltbereite Personen sein werden.“
Angstmache und Repression
Zugleich machen die Versuche, Camps zu verhindern auch die andere Strategie offensichtlich. Wenn ein Vorgehen, ein Bündnis, die Menschen, die aktiv werden, den „Herren“ nicht genehm sind, dann behaupten sie, es handele sich um „Gewaltbereite“, um „Autonome“, es ginge diesen nicht um Kritik und öffentliche Auseinandersetzung, sondern um „Krawall“. Belegen müssen sie das nicht, können das auch nicht. Eine solidarische Gesellschaft darf diese Angstmache nicht übernehmen und selbst das Misstrauen – vor allem gegenüber allen „Fremden“ – zum Ausgangspunkt des eigenen Handelns machen. Das Gängeviertel, das nun doch in der „blauen“ Sonderrechtszone liegt, in der Versammlungen verboten sein sollen – wie dies wohl für viele weitere Stadtteile zwischen Flughafen, Messegelände und darüber hinaus gilt – lädt folglich in diese „Oase“ ein und freut sich über Besuch und Unterstützung.
Stadt und Bund aber betreiben die Angstmache, die Ausgrenzung, den Abbau von Grundrechten und behaupten allenfalls zum Schein, dass alle Versammlungen ungestört stattfinden könnten. Zwar sprach Innensenator Andy Grote von einem „Festival der Demokratie“, das in Hamburg stattfinden würde. Glaubhafter ist, dass all die Warnungen vor den Gewalttätern genutzt werden sollen, um Versammlungen zu unterbinden und die Bürger*innen vor einer Teilnahme an den Protesten abzuschrecken. Zugleich wird mit der quasi aus der Regierung selbst inszenierten Versammlung „Hamburg zeigt Haltung“, die ausschließlich die Politik einiger anderer Staaten kritisiert, die Idee der Versammlungsfreiheit verkehrt und die Straße von der Regierung „besetzt“.
Gewarnt wird seit Monaten vor den „gewaltbereiten Linksextremen“ - statt von 4.000 ist inzwischen von 8.000 die Rede. All die Proteste, die im Vorfeld stattfanden und bei denen ebenfalls vor Gewalttätern gewarnt wurde, nahmen jedoch keinen gewalttätigen Verlauf. Die Versammlungen wurden allerdings von einem massiven Polizeieinsatz begleitet, der nicht die Ziele der Demonstrierenden unterstützte, sondern sie einengte und behinderte.
Eine Gefangenensammelstelle für 400 Personen wird ausgebaut, drohend wird auf den möglichen vorbeugenden Gewahrsam von 10 Tagen verwiesen, der allerdings einer richterlichen Entscheidung bedarf.
Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums bestätigte, dass Grenzkontrollen eingeführt werden, um potenzielle Gewalttäter an der Einreise zu hindern. „Vermummungsgegenstände“, das können Tücher, Sonnenbrillen oder Regenschirme sein, oder Waffen, das können als Schutzwaffen qualifizierte Plastikfolien sein, die man vor die Augen binden kann, sollen Einreiseverbote rechtfertigen.
Mit Gefährderansprachen, Meldeauflagen, massenweisen Platzverweisen und Aufenthaltsverboten ist zu rechnen.
Gewarnt wird auch vor den Sicherheitsdiensten der anderen Staaten. Innensenator Andy Grohe warnte vor den US-amerikanischen Diensten, die eine Sitzblockade auf der Fahrtstrecke als Angriff verstehen und ihre Schusswaffen einsetzen könnten. Die türkischen Sicherheitsdienste haben im Mai 2017 in den USA gezeigt, dass sie Demonstrierende mit Gewalt traktieren. Ein Staat, der Vertreter dieser Staaten einlädt, hat aber zuvorderst die Aufgabe, „seine“ Bürger*innen und deren Gäste vor solchen Aggressionen und solcher Gewalt zu schützen. Die Staats-Gäste dürfen nicht die Grundrechte und die Verfassung des Landes aushebeln, und ihre Anwesenheit rechtfertigt keinen Ausnahmezustand.