Am 24.07.2023 beschloss die israelische Knesset einen wesentlichen Baustein der sogenannten „Justizreform“, die tatsächlich eine Aushöhlung der Demokratie bedeutet. Während in Israel weiterhin regelmäßig (Groß-)demonstrationen gegen die Regierungspolitik stattfinden, eskaliert die militärische Lage im Westjordanland regelmäßig, zuletzt in Jenin.
In dieser Situation wird die politische Sanktionierung von Treffen mit dem „Feind“ stärker denn je, der Einfluss der Anti-Normalisierungsbewegung in Palästina erzeugt gesellschaftlichen Druck, auf israelischer Seite ist die Lage ebenfalls sehr angespannt.
Ebenfalls am 24.07.2023 Tag machten sich insgesamt 40 Israelinnen und Palästinenser*innen (aus dem Westjordanland, Ost-Jerusalem und Palästinenserinnen mit israelischer Staatsangehörigkeit) auf den Weg nach Deutschland, um zwei Wochen lang in einen intensiven politischen Dialog zu treten. „Ehrlich gesagt bin ich von der Stimmung im Seminar überrascht. Die Teilnehmerinnen hören einander zu und gehen aufeinander ein – ich hätte angesichts der derzeitigen Situation weniger Offenheit erwartet“, sagt Katharina Ochsendorf, die gemeinsam mit Tessa Pariyar das Projekt von deutscher Seite koordiniert.
Moderiert von Teams aus je einer israelischen und einer palästinensischen Moderatorin teilen die Teilnehmerinnen zunächst ihre persönliche Geschichte und diejenige ihrer Familie; in der Mitte des Seminars stellen die Gruppen einander dann ihr jeweiliges historisches Narrativ vor. Schulamith Weil begleitet eine der Dialoggruppen als Beobachterin: „Die persönlichen Geschichten einiger Teilnehmerinnen sind sehr hart und alle sind auf ihre Weise sehr berührend. Die Geschichten der anderen zu hören, ist für viele Teilnehmerinnen sehr aufwühlend. Oft folgt erstmal ein Schweigen, regelmäßig braucht es auch Pausen zum Durchatmen.
Dieses Jahr haben wir mehrere jüdisch-orthodoxe Teilnehmerinnen in der Gruppe. Das erweist sich als große Bereicherung für den Dialogprozess: sie bringen Perspektiven ein, die in solchen Prozessen zumeist kaum bis gar nicht vorkommen.“
Im Dialog entwickeln Teilnehmer*innen ein Verständnis für Situation und Blickwinkel der „Anderen“ und es kommen die schwierigen Themen auf den Tisch: Fragen wie die Legitimität von Gewalt, das Recht auf Rückkehr (binnen)vertriebener Palästinenser*innen, aber auch die Bedeutung des Staates Israel und das Sicherheitsbedürfnis der Israel*innen oder Begriffe wie, „Besatzung“ oder „Apartheid“ werden intensiv diskutiert. Die letzten Seminartage widmen sich der Frage „Was können wir tun?“. Hier sprechen die Teilnehmerinnen über konkrete Handlungsmöglichkeiten für sich selbst vor Ort, aber auch über langfristige, gerechte Lösungen für Israel und Palästina.
„Ferien vom Krieg“ schafft Räume – Räume für politischen Dialog und kontroverse Auseinandersetzungen über politische Realitäten vor Ort, die Möglichkeit, in einem geschützten Raum zu diskutieren und zu streiten, aber auch, sich als Menschen zu begegnen.