Generalbundesanwalt bekennt hanebüchene Rechtsauffassung: „Angriffskrieg ist nicht strafbar“.

Strafanzeigen gegen Mitglieder der rot-grünen Bundesregierung wegen Beihilfe zum Angriffskrieg gegen den Irak: Generalbundesanwalt meint, „nur die Vorbereitung an einem Angriffskrieg und nicht der Angriffskrieg selbst" seien strafbar.

Gesetzgeber ist gefordert

Als „hanebüchene Rechtsauffassung“ haben die in der Kooperation für den Frieden zusammengeschlossenen Friedensorganisationen die Reaktion des Generalbundesanwaltes auf die Strafanzeigen gegen Mitglieder der rot-grünen Bundesregierung wegen Beihilfe zum Angriffskrieg gegen den Irak zur Kenntnis genommen. Mit Schreiben vom 26. Januar d.J. teilte der Generalbundesanwalt in bisher beispielloser Offenheit mit, dass „nur die Vorbereitung an einem Angriffskrieg und nicht der Angriffskrieg selbst strafbar“ seien, „so dass auch die Beteiligung an einem von anderen vorbereiteten Angriffskrieg nicht strafbar ist“ (AZ 3 ARP 8/06-3).

Die Friedensorganisationen hatten die verantwortlichen Mitglieder der ehemaligen Bundesregierung, u.a. Schröder und Fischer, wegen des Verdachts der Beihilfe zum Angriffskrieg angezeigt, nachdem bekannt geworden war, dass die Kriegsunterstützung nicht nur passiv durch die Gewährung der Land- und Luftraumnutzung, sondern auch aktiv durch Beteiligung von BND-Männern bei der Zielerfassung vorgenommen wurde.

Die Bundesanwaltschaft begibt sich in seinem Schreiben an das Netzwerk Friedenskooperative in offenen Gegensatz zum jüngsten Urteil des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts. Dieses hatte im Urteil zur Gehorsamsverweigerung eines Bundeswehr-Majors im Juni 2005 festgestellt, dass schwere völkerrechtswidrige Bedenken gegen den Irak-Krieg und die Unterstützung desselben durch die Bundesregierung bestehen. Das Gericht führte zu Artikel 26 Grundgesetz aus: „Wenn ein Angriffskrieg jedoch von Verfassungs wegen bereits nicht ‚vorbereitet’ werden darf, so darf er nach dem offenkundigen Sinn und Zweck der Regelung erst recht nicht geführt oder unterstützt werden“ (Urteil vom 21.5.2005, Seite 33; BVerwG 2 WD 12.04). Wenn jetzt der entsprechende Strafgesetzbuchparagraph 80 durch die Bundesanwaltschaft sinnverkehrend ausgelegt wird, ist es dringlichste Aufgabe des Gesetzgebers, diese Strafbarkeitslücke umgehend zu schließen und dem impliziten Gesetzgebungsauftrag aus Art. 26 GG in vollem Umfang nachzukommen.

Der Generalbundesanwalt hat es außerdem unterlassen, die Strafanzeige unter den Gesichtspunkten des Völkerstrafrechtes, das 2002 neu eingeführt worden ist, zu prüfen, zumal der Krieg gegen den Irak in mehrfacher Hinsicht auch gegen das Kriegsvölkerrecht verstoßen hat. Des weiteren hat es der Generalbundesanwalt unterlassen, die Strafanzeige hinsichtlich anderer Tatbestände aus dem Strafgesetzbuch zu prüfen. Wenn der Angriffskrieg als solcher straffrei gestellt wird, bleiben die von der Bundesregierung unterstützten Taten dennoch zu verfolgende Straftaten. Die Bundesregierung hat sich durch die Unterstützung des völkerrechtswidrigen Krieges gegen Irak auch schon mit den zugestandenen Hilfsleistungen wie Überflugsrechten, Nutzung der Standorte in der BRD für den Krieg, Beteiligung an AWACS-Einsätzen und Bewachung der US-Einrichtungen , u.a. der Beihilfe zu Mord, Totschlag, schwerer Körperverletzung und Freiheitsberaubung schuldig gemacht.

Die Friedensbewegung fordert erneut eine strafrechtliche, aber vor allem politische Aufarbeitung der völkerrechtswidrigen Beteiligung der Bundesrepublik am Krieg gegen den Irak. Die aktuellen Strafgesetzbestimmungen müssen in Hinblick auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen des Grundgesetzes überprüft und ergänzt werden.

 

gez.:

Martin Singe, Komitee für Grundrechte und Demokratie, Köln

Mani Stenner, Netzwerk Friedenskooperative, Bonn

 

Anlage: Schreiben des Generalbundesanwalts vom 26.01.06

 

DER GENERALBUNDESANWALT

BEIM BUNDESGERICHTSHOF

Der Generalbundesanwalt . Postfach 27 20.76014 Karlsruhe

 

Netzwerk Friedenskooperative

Römerstraße 88

53111 Bremen (gemeint ist Bonn)

 

Aktenzeichen Bearbeiter/in (0721) Datum

3 ARP 8/06-3 OStA'in b. BGH Schübel 81 91-145 26.01.2006

(bei Antwort bitte angeben)

 

Betrifft: Ihre Strafanzeige vom 14. Januar 2006 gegen den früheren Bundeskanzler Schröder und andere wegen des Verdachts der Vorbereitung eines Angriffskrieges

 

Sehr geehrter Herr Stenner,

die nunmehr über die Medien verbreiteten Informationen begründen - unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt - keinen Anfangsverdacht wegen eines Verbrechens der Vorbereitung eines Angriffskrieges. Der Vorwurf geht dahin, der Bundesnachrichtendienst habe den USA während des Irakkrieges mit Wissen der Bundesregierung Informationen für die Erfassung militärischer Ziele geliefert. Dieser Sachverhalt wird von dem Straftatbestand der Vorbereitung eines Angriffskrieges nicht erfasst.

§ 80 Abs. 1 StGB lautet wie folgt:

,,Wer einen Angriffskrieg (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes), an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sein soll, vorbereitet und dadurch die Gefahr eines Krieges für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.

Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ist nur die Vorbereitung an einem Angriffskrieg und nicht der Angriffskrieg selbst strafbar, so dass auch die Beteiligung an einem von anderen vorbereiteten Angriffskrieg nicht strafbar ist (Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 80 Rn 13).

Ein Analogieschluss dahingehend, dass dann, wenn schon die Vorbereitung eines Angriffskrieges strafbar ist, dies erst recht für dessen Durchführung gelten müsse, ist im Strafrecht unzulässig (BVerfGE 26, 41, 42; 47,109,121 ff.). Auch kann Art. 26 Abs. 1 GG, der über den Anwendungsbereich des § 80 StGB hinausreicht, nicht zur Auslegung herangezogen werden. Denn Art. 103 Abs. 2 GG verbietet die Anwendung einer Strafvorschrift über ihren eindeutigen Wortlaut hinaus.

Folglich scheidet als möglicher Täter aus, wer sich erst bei oder nach Kriegsausbruch in das kriegerische Unternehmen einschaltet (LK-Laufhütte StGB 11. Aufl. § 80 Rn 7).

Unabhängig davon setzt der Tatbestand - wenn es um kriegsvorbereitende Maßnahmen geht -voraus, dass der Täter die Vorstellung haben muss, die Bundesrepublik Deutschland werde sich als Krieg führende Macht unter Einsatz ihrer Streitkräfte oder in vergleichbar massiver Weise an dem Angriffskrieg beteiligen (Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 80 Rn 7). Davon kann beim Einsatz von zwei Agenten am Kriegsort nicht die Rede sein, zumal es die ureigene Aufgabe des Bundesnachrichtendienstes als deutschem Auslandsnachrichtendienst ist, Auslandsaufklärung zu betreiben. Gerade aus Krisengebieten benötigt die Bundesregierung ein möglichst umfassendes und wirklichkeitsgetreues Lagebild.

Im Auftrag

(Schübel)