Schon in unserem ersten Blogbeitrag schrieb Helmut Pollähne: „Zu beklagen ist eine Pegidisierung der Rechtspolitik.“ Die offizielle Politik ist schon lange von alltäglichem Rassismus, von einer Sicherheitsorientierung auf Kosten der Freiheit und von einer neoliberalen Wirtschaftsperspektive geprägt, die die sozialen Menschenrechte vernachlässigt und die soziale Ungleichheit verstärkt. Die Wahlerfolge der AfD führen nun zu einem weiteren Rechtsruck auch in der gesellschaftlichen Mitte. Diese Politik muss weiterhin im Zentrum linker Kritik stehen.
Die Grenzen bleiben geschlossen, obwohl die Lage der Flüchtlinge in der Türkei wie auch in Griechenland menschenverachtend ist. Am Zaun von Idomeni sehen wir verzweifelte Familien im Schlamm hausen, ihrem berechtigten und vor allem verständlichen Protest begegnen Polizei und Militär mit Tränengas. Aber Innenminister Thomas de Maizière meint uns belehren zu müssen, wir müssten „harte Bilder aushalten“. Der AfD-Vize, Alexander Gauland, sekundiert: „Wir können uns nicht von Kinderaugen erpressen lassen“. Alle Kritik am Abkommen mit der Türkei prallt an den politisch Verantwortlichen ab. Stattdessen wird die Abschottung immer gründlicher betrieben. Nun sollen auch noch die Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien als „sichere Herkunftsstaaten“ eingestuft werden. Wieder einmal gerät die Anhörung im Bundestag zur Farce.
Gleichzeitig nehmen die Angriffe auf ausländisch aussehende Menschen und auf Flüchtlingshelfer und Initiativen, die sich für Geflüchtete einsetzen, zu. Die Amadeu Antonio Stiftung in Berlin ist ins Zentrum solcher Angriffe von Nationalisten und Rassisten gerückt. Über Stiftungs-Mitarbeiter wird auf rechten Facebook-Seiten mit Fotos und Namen berichtet. Unterschwellig wird gedroht. „Wenn man wisse, wo diese wohnen, ergebe sich alles Weitere von selbst“. In den letzten Wochen erhielten mehrere bekannte Nazigegner Post von der Partei „Der III. Weg“ mit der Aufforderung, das Land zu verlassen.
Angesichts dieser bedrohlichen Entwicklungen und zudem der besonderen Verhältnisse in Sachsen stößt der sächsische Verfassungsschutzbericht, der klar stellt, dass Pegida nicht beobachtet wird, auf Kritik.
Der sächsische Verfassungsschutz stellt fest, dass im letzten Jahr 177 Anti-Asyl-Proteste mit „relevanten rechtsextremistischen Bezügen“ stattgefunden haben. 35.400 Personen haben sich beteiligt. Er bemerkt auch, dass dies ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum letzten Jahr war (47 Veranstaltungen mit 7.500 Personen), aber einen Zusammenhang mit Pegida und dessen nationalistischer und rassistischer Ausrichtung kann er nicht erkennen. Allerdings macht der Verfassungsschutz mit seinen „Erkenntnissen“ einmal mehr deutlich, dass die einzig richtige Forderung ist, diesen selbst endlich abzuschaffen. Um Pegida und all die anderen Angriffe auf Menschen mit Migrationshintergrund und auf UnterstützerInnen von Flüchtlingen zu beobachten, braucht es eine Polizei und eine Staatsanwaltschaft, die ihre Arbeit machen und nicht wegschauen. Und es bedarf einer Öffentlichkeit, deren Protest gegen solche Machenschaften geschützt, statt verfolgt wird. Einen Geheimdienst braucht es dafür nicht.
Wie schädlich für eine Demokratie die Verfassungsschutzämter sind, zeigt gerade wieder die Recherche des gemeinnützigen Recherchezentrum Correctiv. Die Ermittlungen wegen Landesverrats gegen netzpolitik.org im Sommer 2015 zielten gar nicht gegen die Journalisten, sondern hatten die Einschränkung der Rechte des Parlaments zum Ziel. Der parlamentarischen Kontrolle der Geheimdienste sollte der Zahn gezogen werden.
Dass der Staat selbst immer wieder derjenige ist, der Verfassungsrecht bricht, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung über das BKA-Gesetz wieder einmal deutlich gemacht. Die Rechte derjenigen, die den Schutz vor dem Staat brauchen, wurden in verfassungswidriger Weise eingeschränkt, da das Bundeskriminalamt ermächtigt worden war, durch Telefonüberwachung, Observationen und den Einsatz von Wanzen und Trojanern auch heimlich in den Kontakt von Anwälten und Mandanten einzudringen.
Und die rassistischen Kontrollen der Polizei (racial profiling) hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz am 21. April 2016 endlich einmal verurteilt. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die schwarze Hautfarbe der Kläger zumindest ein die Kontrolle am 25. Januar 2014 mit tragendes Kriterium war. Die Kontrolle sei damit ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes.
Aus solchen Gerichtsentscheidungen, die nur mit langem Atem erstritten werden konnten, erwächst ein wenig Hoffnung. Aber die Versuche, auch solche Entscheidungen faktisch zu umgehen, werden zahlreich sein. Protest und Solidarität nicht nur gegen AfD, Pegida und Konsorten, sondern gegen die Menschenverachtung herrschender Poltitik bleiben das, was wirklich Hoffnung machen kann.
Elke Steven (Referentin im Grundrechtekomitee)