Laut der neuen Europol-Verordnung soll ein „Gemeinsamer parlamentarischer Kontrollausschuss“ („Joint Parliamentary Scrutiny Group“, JPSG) eingerichtet werden. Dafür hatte das Europäische Parlament im Trilog-Verfahren lange gestritten. Der Ausschuss soll aus Abgeordneten des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente bestehen. Wie das umgesetzt werden soll, ist aber noch unklar. Der JPSG wird von den nationalen Parlamenten gemeinsam mit dem Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des Europäischen Parlaments eingesetzt. Der hat zu dem Thema aber noch nicht getagt.
Jedoch bleiben die parlamentarischen Kontroll- und Informationsmöglichkeiten in der Verordnung eher oberflächlich. Nur einige Ziele werden vage konkretisiert, nicht aber die Ausgestaltung. Explizit soll Europol nicht in der täglichen Arbeit kontrolliert werden, vorgesehen ist lediglich eine „politische Kontrolle der Tätigkeiten“. Hierzu gehört die Untersuchung von deren Auswirkungen „auf die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen“. Werden die Abgeordneten dabei fündig, können sie „zusammenfassende Schlussfolgerungen“ erstellen und diese den Parlamenten übermitteln.
Europol wird auch nicht großartig in der Administration und Organisation seiner Arbeit gestört. Zwar darf der Kontrollausschuss an Verwaltungsratssitzungen teilnehmen, jedoch nur auf dessen Einladung. Die Abgeordneten der EU-Mitgliedstaaten und aus dem EU-Parlament müssen dann als nicht stimmberechtigte Beobachter*innen auf der Bank sitzen. Ähnlich mickrig ist die Mitbestimmung bei der Wahl des Exekutivdirektors. Der vom Rat der Europäischen Union ausgewählte Kandidat kann vor seiner Ernennung aufgefordert werden, auch beim LIBE-Ausschuss vorzusprechen. Eine Entscheidung über eine solche Einladung liegt aber beim Rat, die Abgeordneten haben zudem lediglich die Möglichkeit einer unverbindlichen Stellungnahme.
In der Praxis sind die neuen Kontrollmöglichkeiten also vermutlich ein stumpfes Schwert. Auch über größere Informationsrechte verfügt der gemeinsame parlamentarische Kontrollausschuss nicht. Europol soll den Abgeordneten „relevante Unterlagen“ zuschicken, darunter „Risikobewertungen, strategische Analysen und allgemeine Lageberichte“ sowie Ergebnisse von Studien, die Europol in Auftrag gab. Dies betrifft aber ausschließlich Dokumente die keiner Einstufung unterliegen und schreibt damit eine Praxis fort, mit der EU-Abgeordnete von wesentlichen Informationen abgeschnitten sind. Nur die nationalen Parlamente haben Zugang zu als „LIMITE“ oder „RESTREINT“ eingestuften Dokumenten, das EU-Parlament aber nicht. Die Brüsseler Parlamentarier*innen müssen sich die Papiere deshalb bei der Bürgerrechtsorganisation Statewatch herunterladen.
Viel wichtiger wäre gewesen, die operative Arbeit von Europol (die sich immer weiter verselbständigt) mehr zu kontrollieren. Dies beträfe beispielsweise die computergestützten Ermittlungstechniken, die nicht über die nationalen Parlamente beaufsichtigt werden können. Ein Beispiel: Obwohl das deutsche Bundeskriminalamt bei der Beschaffung von Software zur Analyse von Daten für Europol hilft, gibt das Bundesinnenministerium zu deren Funktionen keine Auskunft. Fragen die EU-Abgeordneten bei der für Europol zuständigen Europäischen Kommission nach Details, werden diese Anfragen oft mehrere Wochen nach der dreimonatigen Frist beantwortet – und dann nur äußerst knapp. Mittlerweile ist das Informationsrecht in Brüssel auch auf drei Fragen pro Thema eingedampft.
So war es etwa unmöglich, die Arbeit der neuen „Meldestelle für Internetinhalte“ zu kontrollieren, die im April 2015 beschlossen und im Juli des gleichen Jahres eingerichtet wurde. Als die Kommission auf eine entsprechende Anfrage reagierte, hatte sich die „Meldestelle“ längst weiteren Aufgaben zugewandt, die Antwort war also veraltet.
Einblicke zu den alten und neuen Kontrollmöglichkeiten gibt ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes im Bundestag zum Thema „Status der Parlamentarischen Kontrolle unter der neuen Europol-Verordnung“. Es ist allerdings vom Januar dieses Jahres. Deshalb ist dort der Entwurf der Verordnung berücksichtigt, nicht die schließlich verabschiedete (aber in wesentlichen Teilen nicht mehr überarbeitete) Version.
Matthias Monroy (Gastkommentator)
Wissensarbeiter, Aktivist und Mitglied der Redaktion der Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP. In Teilzeit Mitarbeiter des MdB Andrej Hunko. Publiziert in linken Zeitungen, Zeitschriften und Online-Medien, bei Telepolis, Netzpolitik und in Freien Radios. Alle Texte und Interviews, auf englisch und auf Twitter