Gen-ethisches Netzwerk und Grundrechtekomitee fordern eine kritische Auseinandersetzung mit dem Biobankprojekt NAKO.
Am 10. November 2014 wurde in Essen im Beisein der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Prof. Dr. Johanna Wanka, der Beginn der sogenannten „Nationale Kohorte“ (NAKO), der geplanten Sammlung von Gesundheitsdaten, öffentlich zelebriert. Eine zivilgesellschaftliche Debatte über die NAKO ist hingegen bisher ausgeblieben.
Das gigantische Biobankprojekt gehört aber sowohl in Hinblick auf die der Forschung zugrunde liegende Orientierung und die darin zum Zuge kommenden Interessen als auch in Hinblick auf den Umgang mit den Probanden und deren Interessen in die öffentliche Diskussion!
- Neben dem der NAKO zugrundeliegenden Ansatz, die Entstehung komplexer Erkrankungen mit Hilfe statistischer Korrelationen von biologischen und sozialen Daten erklären zu wollen, kritisiert das Gen-ethische Netzwerk schon seit der Planungsphase des Projektes, dass hier quasi auf Vorrat Gesundheitsdaten erhoben und Bioproben gesammelt werden, also ohne konkrete Fragestellungen und für ein aus wissenschaftlicher Sicht bedenklich breites Spektrum von Krankheiten.
- Das Komitee für Grundrechte und Demokratie kritisiert darüberhinaus, wie Fragen des Datenschutzes und der Information von Probanden in der NAKO behandelt werden. Wolfgang Linder, ehemaliger stellvertretender bremischer Datenschutzbeauftragter, der seit bald zehn Jahren in der AG Gesundheit des Grundrechtekomitees mitarbeitet, untersuchte sowohl Ethik-Kodex, Datenschutzkonzept als auch Nutzungsordnung der NAKO und musste feststellen, dass unter den heutigen technischen Bedingungen der Datenauswertung das Versprechen eines „Vorrangs der Rechte und des Wohlergehens der Teilnehmer vor den Forschungszwecken“ im Ethik-Kodex der NAKO nicht eingehalten wird (http://www.grundrechtekomitee.de/node/657, Fazit S. 13 f.).
- Bedenklich ist zudem, dass das von den Betreibern der NAKO veröffentliche Datenschutzkonzept vom 14. März 2013 laut Mitteilung mehrerer Landesdatenschutzbeauftragter (in Erwiderung auf Schreiben des Grundrechtekomitees) nicht den aktuellen Abstimmungen zwischen NAKO und Bundesdatenschutzbeauftragtem entspricht. Inzwischen wird über diese „Fortschreibung“ auf der Internetseite der NAKO hingewiesen. Auch das im Internet zugängliche wissenschaftliche Konzept der NAKO vom Februar 2011 gibt nicht den aktuellen Stand wieder.
Wir fragen:
Wie soll unter diesen Umständen eine öffentliche Debatte möglich sein? Auf was sollen sich die angeschriebenen Probanden bei ihrer Entscheidung stützen können?
Nutzt die Datensammlung bzw. ihre Auswertung wirklich der Allgemeinheit? Bestehen nicht vielmehr mannigfaltige Interessen an diesen Daten, etwa von industrieller oder auch gesundheitspolitischer Seite? Warum sollen Probanden die NAKO beispielsweise dazu bevollmächtigen, auf ihre Sozialdaten zugreifen zu dürfen?
Der Vorstandsvorsitzende des Vereins „Nationale Kohorte e.V.“, Prof. Dr. Jöckel , freute sich schon im Juli 2013, dass in 20 bis 30, vielleicht aber auch schon in fünf Jahren ein gigantischer „Datenkörper“ entstanden sein werde.
Ob es sinnvoll ist, einen solchen Datenpool anzulegen, muss gesellschaftlich diskutiert werden!
Für die NAKO sind Mitsprache und öffentliche Kontrolle erforderlich, nicht Sonntagsreden über Forschung und Fortschritt im Rahmen einer offiziellen Feierstunde!
Hintergrund: Der Betreiberverein der NAKO will in den nächsten Monaten und Jahren Gesundheitsdaten und Bioproben von 200.000 per Zufallsprinzip aus den Melderegistern ausgewählten Frauen und Männern sammeln und für noch nicht näher definierte Forschungsprojekte zur Verfügung stellen. Versprochen wird, damit gesundheitsbezogene Forschung im öffentlichen Interesse möglich zu machen - worunter vor allem individuelle Erkrankungsrisiken für chronische Erkrankungen verstanden werden: Vielfältige Untersuchungen sollen Daten liefern, um Risiken für Diabetes, Krebs, Demenz, Depression, Erkrankungen der Atemwege, Infektionserkrankungen oder Herz- Kreislauferkrankungen errechnen zu können.