Das Land Nordrhein-Westfalen plant ein weiteres Abschiebegefängnis, zusätzlich zu dem bisherigen und bundesweit größten in Büren mit 175 Haftplätzen. Der geplante Neubau soll mit 25 Plätzen als sogenannter „Ausreisegewahrsam“ dienen.
Vermutlich liegt der Anlass für den weiteren Knast in den rechtlichen Erleichterungen für die Abschiebebehörden: Den „Ausreisegewahrsam“ können Behörden auch ohne Fluchtgefahr anordnen. Laut Frank Gockel vom Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren“ wird diese Form der Haft seit der Pandemie auch deshalb deutlich häufiger genutzt, weil viele Ausländerbehörden diese Art der Haft zur bequemeren Durchführung des von vielen Ländern bei der Einreise vorgeschriebenen PCR-Tests missbrauchten.
Das Instrument des „Ausreisegewahrsams“ wurde zuletzt 2019 unter dem ehemaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer als Teil seines Hau-Ab-Gesetzes verschärft: Anders als bei der Abschiebehaft reicht für die Anordnung des Ausreisegewahrsams bereits, dass die Ausreisefrist mehr als 30 Tage abgelaufen ist oder die abschiebende Behörde den Eindruck hat, ein Mensch würde seine gesetzlichen Mitwirkungspflichten an seiner Abschiebung verletzen bzw. über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuschen – und bietet damit den Abschiebebehörden größeren Ermessensspielraum.
Der Ausreisegewahrsam muss laut Gesetz im Transitbereich oder in der Nähe eines Flughafens angesiedelt sein. Der Abschiebeknast Büren ist mit 150 Kilometern Entfernung zum Flughafen Düsseldorf demnach zu weit entfernt. Die Bebauung eines landeseigenen Grundstücks in der Stadt Düsseldorf wird von dieser abgelehnt. Daher wird nun auf das Flughafengelände fokussiert und mit der Flughafengesellschaft verhandelt.
Auf Anfrage des Flüchtlingsrates Düsseldorf argumentierte das zuständige Ministerium für Flüchtlinge im November 2021 zynischer Weise, der Bau würde nicht nur den beteiligten Beamt*innen zugutekommen, sondern auch den abzuschiebenden Menschen; sie seien durch den dann kurzen Weg zum Flugzeug geringerer Belastungen ausgesetzt.
Die „früh angesetzten Maßnahmen“ – gemeint sind die bislang üblichen, brachialen nächtlichen Überfälle zur Abholung – würden damit angeblich ebenfalls überflüssig werden. Diese Behauptung wird allerdings durch Erfahrungen in bereits existierenden Ausreisegewahrsamseinrichtungen widerlegt. Zur Durchsetzung einer „Verwaltungsmaßnahme“ soll Abschiebehaft eigentlich nur als Ultima Ratio angeordnet werden. Die Realität ist weit davon entfernt und bundesweit wächst die Anzahl der dafür vorgesehenen Haftplätze unentwegt.
Vor der Pandemie hat man allein in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2019 1954 Menschen vor ihrer Abschiebung inhaftiert, die Mehrzahl im Durchschnitt bis zu sechs Wochen. Bundesweit wurden im vergangenen Jahr insgesamt 10.349 Menschen per Flugzeug abgeschoben.
Ein Knast mit 25 Plätzen mag vielleicht als zu vernachlässigendes Übel erscheinen. Aber mit einer maximalen Haftdauer von 10 Tagen könnten dort pro Jahr knapp tausend Personen eingesperrt werden. Die Erfahrung aus Hamburg zeigt, dass die Plätze quasi dauerhaft belegt sind. Durch die geringeren Inhaftierungshürden ist zudem ein größerer Personenkreis betroffen, potentiell auch Frauen und Kinder.
Ein Knast auf dem Flughafengelände wird zudem den Abschiebevorgang selbst noch unsichtbarer machen: Wer erfährt von (nächtlichen) Übergriffen und Gewalt gegenüber den Eingesperrten oder von deren Verzweiflung und Selbstverletzungen bis hin zu Suiziden?
Gegen den geplanten Abschiebeknast haben wir uns vor der anstehenden Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen gemeinsam in dem landesweiten Bündnis „Abschiebegefängnis verhindern – in Düsseldorf und überall“ zusammengeschlossen. Dort positionieren wir uns klar gegen das gesamte Abschiebesystem. Denn das geplante Gefängnis bildet zwar ein kleines, aber bedeutsames Rädchen der Abschiebemaschinerie. Weitere Infos www.abschiebegefaengnis-verhindern.de