Klaus Vack, Mitbegründer des Komitees für Grundrechte und Demokratie, ist am 18. Mai 2019, einen Tag nach seinem 84. Geburtstag, verstorben. Wir nehmen Abschied von einem Freund, Genossen und Mitstreiter, einem radikalen Pazifisten und leidenschaftlichen Sozialisten, einem engagierten Bürger- und Menschenrechtler, der die Freiheit und Gleichheit aller Menschen stets im Blick hatte, ihre Integrität achtete und Solidarität praktisch lebte. Und der immer an „einem emphatisch außerparlamentarischen, basispolitischen … Verständnis sozialistischer Politik“ festhielt, wie er selbst 1985 in seiner biographischen Skizze notierte.
Wie aber könnte ein derart politisch aktives Leben, wie Klaus Vack es über mehrere Jahrzehnte zusammen mit seiner Lebensgefährtin Hanne Vack geführt hat, angemessen gewürdigt werden? Welche politischen Aktionen und Organisationsprozesse, die sie in ihrem Leben gemeinsam begründet, begleitet und mitinitiiert haben, wären herauszugreifen, ohne zugleich die unerwähnt gebliebenen der Vergessenheit preiszugeben? Ein beinahe unmögliches Unterfangen in einem durch und durch von politisch herrschaftskritischem Engagement bestimmten Leben. Allemal zu kurz käme das, was Klaus und Hanne Vack ebenso wichtig war wie ihr politisches Handeln: die Familie, das private, das gesellige Leben. Sie waren den Menschen, denen sie begegneten, herzlich offen zugetan, ganz besonders den Kindern. Die Wege unzählbarer politischer Aktivistinnen und Aktivisten sowie Freundinnen und Freunde jener Zeit haben sich in den Büros und Wohnungen, die sie für kurz oder länger mit ihrem unermüdlichen Engagement besetzten, gekreuzt. Klaus Vack war immer bewusst, dass er und seine Mitstreiterinnen Kinder ihrer Zeit waren und die eben in dieser Zeit handelten mit allen ihren Hoffnungen, Utopien und Identifikationen.
Klaus Vack war einer der Protagonisten der außerparlamentarischen Bewegungen, die die frühe, noch stark nationalsozialistisch geprägte bundesrepublikanische Gesellschaft bis in die jüngste vermeintlich vergangenheitsgeläuterte Gegenwart begleiteten: Er initiierte Demonstrationen gegen die Remilitarisierung bereits in den 1950er Jahren, damit einhergehend die Kampagnen zur Unterstützung der Kriegsdienstverweigerer, organisierte die pazifistische und antimilitaristische Ostermarschbewegung u.a. zusammen mit seinem lebenslangen Weggefährten Andreas Buro in den 1960er Jahren, beteiligte sich an den Protesten gegen die Notstandsgesetze, arbeitete für die undogmatische „Neue Linke“ im „Sozialistischen Büro“ und organisierte von dort aus zahlreiche Kongresse (u.a. Angela-Davis-Solidaritätskongress), Demonstrationen und Publikationen; er gehörte zu den Mitinitiatoren der neuen Friedensbewegung Ende der 1970er/Anfang der 1980er Jahre gegen den NATO-Doppelbeschluss mit gewaltfreien Blockaden und Aktionen, Protestmärschen und Menschenketten. Hier beginnt auch die enge Zusammenarbeit mit Martin Singe, der späterhin, im Jahr 1993, mit seiner Arbeit in der Geschäftsstelle des Grundrechtekomitees gemeinsam mit Elke Steven (seit 1994) beginnen wird. Es sind die neuen sozialen Bewegungen (u.a. Anti-AKW-, Ökologie-, Frauen- und Neue Friedensbewegung), in denen auch Klaus und Hanne Vack politisch und praktisch mitwirkten, die den „Zivilen Ungehorsam“ als Form politischen Protestes wiederentdeckten und ausgiebig praktizierten. Exemplarisch: Volkszählungsboykott (1987), Protest und Bundestagsblockade gegen die Asylgrundrechtsverstümmelung (1993) und viele weitere Aktionen von Platzbesetzungen bis zum Versuch einen Abschiebeknast in Worms zu entzäunen (1994). Und nicht selten standen die beiden zusammen mit vielen anderen wegen solch gewaltfreier, zivil-ungehorsamer Aktionen vor Gericht. Zuletzt noch im Jahr 2000 vor dem Berliner Amtsgericht Tiergarten, weil sie einen Desertionsaufruf an die beteiligten Bundeswehr-Soldaten am Nato-Krieg gegen die Republik Jugoslawien unterzeichnet und verbreitet hatten. Da bestand das Komitee für Grundrechte und Demokratie, das sie zusammen mit andern langjährigen Mitstreiterinnen und Mitstreitern kurz nach dem internationalen Russell Tribunal zur Lage der Menschenrechte in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1980 gegründet hatten, bereits zwanzig Jahre. Klaus und Hanne Vack hatten das politisch- organisatorische Sekretariat des Grundrechtekomitees bis Ende 1998 im Odenwald behände geführt, bevor es nach Köln wechselte. Anlässlich der Verleihung des Fritz-Bauer-Preises (1996) an Hanne und Klaus Vack hieß es in der Laudatio: „Hanne und Klaus Vack, die Sinnbilder des gewaltlosen Widerstandes von unten …, wissen, dass manchmal Regelverletzungen nötig sind aus politischen und sogar auch aus rechtlichen Gründen, und so sind sie die Geburtshelfer des gewaltlosen Widerstandes in unserem Lande geworden.“ Über die Unkenntnis des Laudators, zwischen gewaltlosem und gewaltfreiem Widerstand zu unterscheiden, sehen wir mit den beiden Geehrten hinweg.
Für Klaus und Hanne Vack standen seit der Gründung des Komitees für Grundrechte und Demokratie vornehmlich die friedenspolitischen Aktivitäten im Vordergrund. Ihr politisches Engagement galt seit den zerstörerischen Jugoslawienkriegen (Anfang 1991), europäisch lange Zeit mitleid- und tatenlos beäugt, die tatkräftige, humanitär menschenrechtliche Hilfe im vormaligen Jugoslawien und später in den Nachfolgerepubliken. Daraus ist das „Projekt Ferien vom Krieg" entstanden, das Helga Dieter um Begegnungen palästinensischer und israelischer Jugendlicher aus historischer Verantwortung erweiterte und heute von Tessa Pariyar, Katharina Ochsendorf und Brigitte Klaß in ihrem Sinne fortgeführt wird. Im Rahmen des Grundrechtekomitees setzten sich Klaus und Hanne Vack ebenso für Gefangene, für die Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe sowie für ein unverkürztes Grundrecht auf Asyl ein.
Viele der politischen Konflikte, die Klaus Vack in seinem aktiven Leben aufgegriffen und mit praktischer Phantasie angegangen ist, sind längst noch nicht gelöst. Sie schwären blutig kriegerisch, tödlich und menschenfeindlich weiter. Jedoch auch neue Generationen stehen auf, führen die Tradition des gewaltfreien, zivil-ungehorsamen Protests gegen die kapitalistische Ausbeutung von Menschen und Natur, gegen die in die liberaldemokratisch-parlamentarische Form vergegenständlichte Kapitalherrschaft, die noch aus Krisen und Kriegen Profit zieht, phantasievoll, kritisch und kollektiv fort. Sie werden höchstwahrscheinlich Klaus Vack nicht mehr kennen, dafür ist die Generation viel zu jung, aber sie greifen wie selbstverständlich eine politische, außerparlamentarische Widerstandskultur in der Bundesrepublik Deutschland auf, die Klaus Vack politisch lernend sein Leben lang, organisatorisch talentiert, erprobt und leidenschaftlich praktiziert und damit auch entscheidend geprägt hat. Ein anderes, ein radikaldemokratisches und ermutigendes Deutschland existiert in diesen neoliberalen und nationalpopulistischen Zeiten auch dank Hanne und Klaus Vack und den vielen, vielen anderen Zeitgenossen und Zeitgenossinnen, die mit den beiden für eine andere Welt, so nannte man das allerdings damals noch nicht, gekämpft haben. Aber wie von Klaus Vack erhofft, ist die Flamme des außerparlamentarischen und radikaldemokratischen Protests nicht erloschen.
Klaus und Hanne Vack haben das politische Menschenrechtsverständnis des Grundrechtekomitees tiefgreifend mitgeprägt. Ihre engsten Weggefährten und Freunde, Wolf-Dieter Narr und Roland Roth, vermerken in den komiteelichen Informationen im Mai 2005, ihnen zum Geburtstag gratulierend, dazu: „Obgleich das Komitee als kleine Organisation sich von seiner Gründungsgeneration gelöst hat und lösen musste […], bleiben die bald zwanzig Jahre währenden Gründungs- und Gestaltungsimpulse Vack‘scher Prägekraft und -kunst das, was das Komitee zum Komitee macht. Sein materialistischer Begriff der Menschenrechte, der das Quartett aus Freiheit und Gleichheit, aus Integrität und Geschwisterlichkeit mit darin aufgehobener, anarchistisch geerbter gegenseitiger Hilfe, ein Quartett, das immer in gleicher Weise für die anders Denkenden und anders Lebenden gilt, erst mit dem nötigen sozialen Fundament versieht.“
Wir werden komiteelich nicht nur das Andenken an Klaus Vack bewahren, sondern immer erneut versuchen, sein gelebtes, menschenrechtlich und demokratisch radikales Politikverständnis für die Gegenwart der politischen Auseinandersetzungen fruchtbar zu machen.
Für Vorstand und Geschäftsstelle des Komitees für Grundrechte und Demokratie
Heiner Busch, Theo Christiansen und Dirk Vogelskamp
Nachtrag: Wir möchten noch auf ein kleines Buch aus dem Jahr 2005 hinweisen, das vom Komitee für Grundrechte und Demokratie zu Klaus Vack herausgegeben wurde und in dem vieles, was Klaus und Hanne Vack bewegt hat und bewegt haben, nachgelesen werden kann: „Das andere Deutschland nach 1945 – als Pazifist, Sozialist und radikaler Demokrat in der Bundesrepublik Deutschland. Klaus Vack: Politisch-biographische Skizzen und Beiträge“ Das Buch kann noch in der Geschäftsstelle für 10,- € erworben werden.