Seit Beginn der militärischen Intervention der Türkei in die kurdischen Regionen Syriens vor einigen Wochen demonstrieren Kurd*innen überall in Europa gegen den Angriffskrieg Erdoğans. In Deutschland werden diese Demonstrationen stark eingeschränkt: Zum Teil löst die Polizei sie gewaltsam auf, zum Teil werden sie wie die Kölner Anti-Kriegs-Demonstration gleich ganz verboten. Als Begründung dafür dient, dass dort Symbole der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK oder von Organisationen gezeigt werden, die der PKK zugerechnet werden. In Köln wurde pauschal argumentiert, dass deshalb mit gewalttätigen Auseinandersetzungen zu rechnen sei.
Das Komitee für Grundrechte und Demokratie sieht darin einen Verstoß gegen das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, das als Menschenrecht nicht nur für Deutsche gilt, sondern für alle Menschen, gemäß Artikel 20 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.
Seit 1993 ist die PKK in Deutschland verboten, seit 2002 fand sie sich – vermutlich auf deutsche Initiative hin – auf der „Terrorliste“ des Rates der EU. Anfangs galt die PKK hierzulande als „terroristische“, dann als „kriminelle Vereinigung“, seit 2010 wiederum als „ausländische terroristische Vereinigung“. Die verschiedensten rechtlichen Konstruktionen waren immer willkürlich. Das Verbot wurde sukzessive ausgedehnt auf alle möglichen Gruppierungen, die vom Verfassungsschutz als Nachfolgeorganisationen der PKK veranschlagt wurden. Praktisch trifft das einen Großteil der kurdischen Community in Deutschland bis weit hinein in die HDP, die in den vergangenen Jahren die Hoffnungsträgerin nicht nur der kurdischen Bevölkerung in der Türkei gewesen ist.
Im März 2017 hat das Bundesinnenministerium das aus dem Organisationsverbot folgende Verbot von Symbolen ausgeweitet – u.a. auf Fahnen syrisch-kurdischer Gruppen (1). Die Grenzen dieses Verbotes sind fließend. In manchen Fällen werden sie geduldet, in anderen wiederum reicht ein Foto Abdullah Öcalans, um nicht nur ein Transparent zu beschlagnahmen, sondern mit brachialer Gewalt eine ganze Kundgebung aufzulösen.
Das PKK-Verbot zeitigt aber nicht nur Auswirkungen auf Demos und Versammlungen: Verfahren nach Paragraf 129b StGB (Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland) führen regelmäßig zu Verurteilungen mit mehrjährigen Haftstrafen für Leute, denen nichts anderes vorgeworfen wird, als politische Versammlungen und kulturelle Anlässe organisiert zu haben. Die vorausgehenden Ermittlungen sind jeweils verbunden mit einem Großaufwand an Überwachungs-maßnahmen im Umfeld kurdischer Vereine.
Die deutsche Bundesregierung macht sich mit dem PKK-Verbot und mit dem daraus resultierenden Verbot von Demonstrationen und Symbolen mit den politischen Zielen und der Kriegsführung der Regierung Erdoğan gemein – das Verbot gehört abgeschafft. Damit ergreift sie in einem innerstaatlichen Konflikt ausdrücklich Partei für das türkische Regime unter Präsident Erdoğan und übernimmt zugleich dessen Sprachregelung. Angesichts eines Krieges, der mit deutschen Waffen geführt wird, sind Demonstrationen dagegen gerade in Deutschland aber mehr als berechtigt und notwendig.
Dass deutsch produzierte Panzer in Afrin (kurdisch: Efrîn) im Einsatz sind, die Tod und Verderben über die kurdische Region bringen, machen es umso dringlicher, am 3. März 2018 zentral in Berlin und anderswo protestieren zu können: Sofortiger Stopp aller deutschen Rüstungsexporte!
Für das Komitee für Grundrechte und Demokratie
Britta Rabe und Heiner Busch,
Köln, 28. Februar 2018
(1) grundrechte.ganzgraph.de nach-newroz-das-pkk-verbot-endlich-aufheben