Die Migrationspolitik steht im Zentrum des Wahlkampfes für die Bundestagswahl 2025, wahrscheinlich wie bei keiner Bundestagswahl zuvor. Nach dem Messerangriff von Aschaffenburg am 22. Januar 2025, bei dem zwei Menschen getötet wurden, erreichten die bereits zuvor den Wahlkampf bestimmenden Angriffe auf das Asylrecht einen neuen Höhepunkt. Am 29. Januar verabschiedete der Bundestag einen Entschließungsantrag der CDU/CSU, der einen migrationspolitischen »5-Punkte-Plan« enthielt. Dieser sieht u.a. vor, alle Asylsuchenden an den deutschen Grenzen zurückzuweisen und alle juristisch »ausreisepflichtigen« Personen in Haft zu nehmen. Bewusst nahm die Union in Kauf, dass der Antrag nur durch die Stimmen der AfD Erfolg haben konnte. Auch die FDP stimmte dem Antrag zu. Diese Kooperation von Union und FDP mit extrem rechten und faschistischen Kräften war ein politischer Dammbruch, dem sich in den folgenden Tagen hunderttausende Menschen bei Demonstrationen und Kundgebungen entgegenstellten.
Eines ist inmitten dieser Mut machenden Proteste mitzudenken: Wer das bereits im Dezember 2024 veröffentlichte Wahlprogramm von CDU/CSU gelesen hatte, konnte von ihren Positionen nicht überrascht sein; sie werden dort offen kommuniziert. Hieran zeigt sich, dass eine Analyse der Bundestagswahlprogramme aus grundrechtlicher und antirassistischer Perspektive lohnend sein kann. Im vorliegenden Text leisten wir eine solche Analyse der Programme von AfD, CDU/CSU, BSW, FDP, SPD, Grünen und Linken in Bezug auf Migrations- und Asylpolitik – in knapper Form und fokussiert auf Vorhaben zur Abschaffung des individuellen Grundrechts auf Asyl und den Zugang zu Schutz sowie zur Verschärfung der Abschiebepolitik.
Erwartbare Grundlinien
Die migrationspolitischen Grundlinien der Wahlprogramme sind wenig überraschend. Die CDU/CSU will »illegale Migration stoppen« und eine »grundsätzliche Wende in der Migrationspolitik« (CDU/CSU, 40) erreichen. Die FDP warnt vor einer »Einwanderung [...] in die sozialen Sicherungssysteme« (FPD, 26). SPD und Grüne proklamieren »Humanität und Ordnung« (SPD, 54; Grüne, 126). Und nicht nur die AfD versteht Migration als Ursache so ziemlich aller Probleme. Anstatt neoliberale Politik für überfüllte Schulklassen und hohe Mieten verantwortlich zu machen, erklärt auch das BSW diese damit, dass die Zahl der »Flüchtlinge […] viel zu hoch« sei (BSW, 36).
Diese und zahllose weitere Formulierungen in den Wahlprogrammen sind Ausdruck einer aus grundrechtlicher Sicht zutiefst problematischen Politik. Grundrechte sind die elementare Basis des völker- und europarechtlich geprägten Asylrechts in Deutschland. Die Geltung der Menschenwürde, die es verbietet, dass Menschen zum bloßen Objekt staatlichen Handelns gemacht werden, gilt für alle Menschen, unabhängig von Aufenthaltsstatus oder Staatsangehörigkeit. Mit oft ordnungspolitischer Symbolpolitik hat die Migrationspolitik der letzten drei Jahrzehnte genau diese Grenze getestet und in Teilen gerissen. Ein Großteil der migrationspolitischen Forderungen in den Wahlprogrammen will Migration durch Abschottung »managen« und den Zugang zu Asyl sowohl hinsichtlich des »ob« als auch des »wie« weiter erschweren und verhindern. Gegen solche Bemühungen hält allein die Linke die humanistische und internationalistische Linie: »Die Migrationsdebatte von rechts macht Migrant*innen und Geflüchtete zu Sündenböcken für die verfehlte Politik im Interesse der Reichen.« (Linke, 52)
Offene Forderungen zur Abschaffung des Asylrechts
Der zentrale Unterschied der Programme von 2025 zu jenen früherer Wahlen besteht darin, dass nun auch Parteien der »rechten Mitte« offen fordern, das individuelle Recht auf Asyl und andere Schutzformen in Deutschland abzuschaffen. So propagiert nicht nur die AfD (vgl. AfD, 103), sondern auch die CSU, Asyl von einem Recht zu einem Gnadenakt zu degradieren. »Der individuell einklagbare Anspruch auf Asyl«, so CSU-Chef Markus Söder, »der muss umgewandelt werden in eine objektive Garantie«. Auch das BSW spricht von der Möglichkeit, den »Anspruch auf ein Asylverfahren in Deutschland [zu] verlieren« (BSW, 37). Vorerst fordert die CDU/CSU, den »subsidiären Schutzstatus ab[zu]schaffen« (CDU/CSU, 41; CSU, 10). Subsidiärer Schutz bedeutet, Schutz so lange zu gewähren, wie eine sichere Rückkehr in menschenwürdige Bedingungen nicht möglich ist. Die Unions-Forderung nach dessen Abschaffung zielt somit darauf, dass weniger Menschen im Anschluss an ein Asylverfahren eine Aufenthaltsperspektive erhalten. Da aber in entsprechenden Fällen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) bei der Gefahr schwerer Menschenrechtsverletzungen eine Abschiebung in Regionen mit bewaffneten Konflikten und Bürgerkriegen verbietet, liegt in dieser Forderung – logisch weitergedacht – eine weitere Annäherung der Unions-Parteien an die menschenfeindlichen Positionen der AfD, die die EMRK und die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) gänzlich infrage stellen (AfD, 103).
Mehrere Parteien stellen die Möglichkeit, überhaupt Schutz zu beantragen, zur Disposition. Forderungen nach einer Begrenzung von Migration finden sich nicht nur bei der AfD, sondern auch bei CDU/CSU; diese sprechen von »strikte[r] Begrenzung« (CDU/CSU, 4) und einem sofortigen »faktischen Aufnahmestopp« (CDU/CSU, 40). Für das BSW ist die »Zahl der hier ankommenden Flüchtlinge […] immer noch viel zu hoch«; »Deutschland« benötige »eine Atempause« (BSW, 36). Die FDP postuliert: Die »Aufnahme- und Integrationsfähigkeit unserer Gesellschaft ist begrenzt« (FDP, 27). Im Kern zielen diese Postionen in der Logik von »Obergrenzen« darauf ab, die Inanspruchnahme von Rechten quantitativ zu beschränken und so Menschen auf der Flucht ihre individuellen Rechte abzusprechen. Wenn Menschen abgesprochen wird, grundsätzlich gleiche Rechte zu besitzen und diese gleich wahrnehmen zu können, wird eine willkürliche Ungleichbehandlung in Kauf genommen – ein offener Verstoß gegen das Gleichheitsgebot, welches fundamentale Basis von Grund- und Menschenrechten ist.
Eine weitere in den Wahlprogrammen artikulierte Strategie, das Grundrecht auf Asyl in Deutschland vollständig abzuschaffen, besteht darin, die Asylverfahren – und zum Teil auch die Gewährung von Schutz – in andere Staaten auszulagern (CDU/CSU, 42; CSU, 10; FDP, 27; BSW, 8; AfD, 103f.). Wenn die Überprüfung von Asylanträgen und die Unterbringung und Versorgung von Menschen während des Asylverfahrens an einen anderen Staat übertragen würde, könnte das zu gravierenden und nicht überprüfbaren Menschenrechtsverletzungen führen, beispielsweise in Form von pauschalen Inhaftierungen oder Kettenabschiebungen in eine für die betroffene Person gefährliche Region. Abgesehen davon, dass es kein Land gibt, das für einen solchen »Deal« mit Deutschland bereit ist, sind solche Abkommen rein operativ nicht umsetzbar (vgl. EU-Türkei-Deal). Noch stellen sich SPD (SPD, 56), Grüne (Grüne, 131) und Linke (Linke, 54) solchen Forderungen entgegen.
Eine weitere in den Wahlprogrammen formulierte Taktik mit dem Ziel, das individuelle Recht auf Asyl in Deutschland abzuschaffen, besteht in der Zurückweisung von Asylsuchenden an deutschen Grenzübergängen. Diese Forderung stand auch im Mittelpunkt des nach dem Angriff von Aschaffenburg mit Stimmen der AfD, der FDP und einigen fraktionslosen Abgeordneten verabschiedeten 5-Punkte-Plans der CDU/CSU. Bislang haben Menschen, die an der Grenze den Wunsch äußern, einen Asylantrag zu stellen, gemäß europäischer Gesetze das Recht darauf, dass ihr Asylantrag zumindest formal in Deutschland geprüft wird, während sie sich in Deutschland aufhalten. Auf Basis dauerhafter Personenkontrollen an allen Grenzübergängen wollen Union und AfD Asylsuchenden dieses Recht nehmen. Begründet wird dies über die Rechtsfigur der »sicheren Drittstaaten«: Asylsuchende könnten bereits in den deutschen Nachbarländern Schutz finden und einen Asylantrag stellen (CDU/CSU, 40f.; AfD, 103f.). Die FDP fordert eine »modellhafte Erprobung von Zurückweisungen« (FDP, 27) – und hat Zurückweisungen durch ihre Zustimmung zum oben erwähnten »5-Punkte-Plan« offen unterstützt.
Die Folgen einer solchen Praxis sind schwer abzusehen. Geflüchtete könnten an deutschen Grenzen stranden, gerade wenn Deutschlands Nachbarländer sich weigern, die Geflüchteten »zurückzunehmen«. Szenarien sind vorstellbar, in denen Geflüchtete in provisorischen Lagern in der Nähe von Grenzübergängen kampieren müssen, wie es an den europäischen Außengrenzen immer wieder vorkommt. Die daraus folgenden Versuche, Grenzen abseits offizieller Übergänge zu überqueren, könnten gewaltsame Polizeimaßnahmen nach sich ziehen, inklusive Pushbacks, etwa von Deutschland nach Österreich oder nach Polen. Offen ist auch, inwiefern EU-Regierungen bei den Zurückweisungen kooperieren würden: Würden etwa eine Merz-Regierung in Deutschland, die Kickl-Regierung in Österreich und die Meloni-Regierung in Italien sich bei den Zurückweisungen abstimmen und diese politisch und operativ nutzen? Oder werden sie untereinander in Konflikt geraten und somit die Europäische Union weiter fragmentieren? Die Dynamik birgt aus grundrechtlicher Sicht massive Gefahren.
Über die Aufnahme begrenzter Kontingente von Schutzsuchenden könne man laut CDU/CSU erst wieder reden, wenn es zuvor gelungen sei, die Einreise von Asylsuchenden komplett zu stoppen (CDU/CSU, 42). In der Konsequenz reduzieren die von CDU/CSU, AfD und teilweise von FDP und BSW unterstützten Forderungen die Ausübung des Grundrechts auf Asyl auf freiwillige, als Gnadenakt gewährte »humanitäre Aufnahmen« (CDU/CSU, 40).
Explizit zum Recht auf Asyl bekennen sich SPD (SPD, 55), Grüne (Grüne, 129) und die Linke (Linke, 53), wobei nur letztere konsequenterweise umfangreichere Konzepte zu legalen und sicheren Einreisemöglichkeiten vorlegen, etwa mittels erleichterter Visavergabe und der Aufhebung des Visumzwangs für Schutzsuchende (Linke, 53). Einige Parteien zielen hingegen offen darauf, möglichst viele Fluchtwege nach Deutschland zu schließen, indem sicherere Wege wie der Familiennachzug oder Aufnahmeprogramme ausgesetzt (CDU/CSU, 4; CSU 10; FDP, 27; AfD, 104) und die Außengrenzabschottung durch Stärkung von Frontex ausgebaut werden sollen (CDU/CSU, 42; FDP, 27; SPD, 56).
Faktische Außerkraftsetzung: Zugang zum Asylverfahren verhindern
Die bisher dargestellten Positionen in den Wahlprogrammen zielen vielfach darauf, individuelle Grundrechte auf ein Asylverfahren und Asylschutz in Deutschland direkt abzuschaffen, durch die Änderungen des Grundgesetzes, internationaler Abkommen, Zurückweisungen an den Grenzen und die Auslagerung von Verfahren und Schutzgewährung in Drittstaaten. Neben diesen radikalen Forderungen, die in dieser Form von den Parteien der sogenannten »demokratischen Mitte« bislang nicht lange vertreten werden, ist eine große Zahl von Vorschlägen darauf gerichtet, den Zugang zum Asylverfahren in Deutschland sowie dessen Ausübung zu verhindern oder zumindest massiv zu erschweren.
Mit Ausnahme der Grünen und der Linken setzen sich alle Parteien für beschleunigte Asylverfahren ein (CDU/CSU 4, 41; CSU 10; SPD 55; FDP, 27; BSW, 37; AfD 104f.). Auch um eine faire inhaltliche Prüfung von Asylanträgen weiter zu umgehen, setzen sich mehrere Parteien dafür ein, weitere Länder als sogenannte sichere Herkunftsländer (CDU/CSU, 41; CSU, 10) und sichere Drittstaaten (CDU/CSU, 42; BSW 37) zu deklarieren. Zudem soll die Zusammenarbeit mit Drittstaaten bei der Abschiebung abgelehnter Asylsuchender intensiviert werden (CDU/CSU, 41; CSU 10, Grüne, 131; FDP 27, AfD 103f.). Derartige Kooperationen haben häufig zur Folge, dass das individuelle Recht auf Asyl und Rechtsschutzmöglichkeiten weiter ausgehöhlt werden.
Die in den Wahlprogrammen aufscheinenden Strategien bestehen darin, die Ausübung des Rechts auf Asyl zu erschweren und zu behindern, durch restriktive Maßnahmen in allen Phasen eines Asylverfahrens. Eine derartige Einschränkung der Ausübung des Rechts auf Asyl und des Zugangs zu Schutz könnte ab Juni 2026 massiv ausgeweitet werden, wenn große Teile der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) in Kraft treten. Bei der Umsetzung der GEAS-Reform in nationales Recht haben die Mitgliedsstaaten weiten Gestaltungsspielraum. Viele Staaten werden diesen Spielraum wohl repressiv nutzen, im Hinblick auf Beschleunigungsregelungen, Einschränkungen von Rechtsschutzmöglichkeiten, Eingriffe in die Rechte auf ein faires Asylverfahren, die körperliche Integrität, die Freiheit und den Schutz der Privatsphäre von Menschen auf der Flucht. Bei einem klaren Bekenntnis zum Recht auf Asyl kann die GEAS-Reform sowie ihr entsprechende nationale Anpassungs-Gesetze nur abgelehnt werden (vgl. Linke, 52).
In diesem Sinne stellten bereits die von der Ampel im Herbst 2024 zur Umsetzung der GEAS-Reform vorgelegten Gesetzesentwürfe keineswegs, eine »grund- und menschenrechtskonform[e]« Umsetzung mit der Ermöglichung »einer fairen, verbindlichen und solidarischen Verteilung von Schutzsuchenden in Europa« (Grüne, 130) dar, wodurch »in ganz Europa humanitäre Standards für Geflüchtete« ermöglicht und »Migration solidarisch gesteuert« würde (SPD, 55). Doch die in der neuen Legislatur zu verhandelnden Gesetzesentwürfe könnten durch eine weitaus stärker migrationsfeindliche Regierung die menschenrechtliche rote Linie noch drastischer überschreiten. Es bleibt abzuwarten, wie EU-weite Verschärfungen einerseits und eine Skepsis gegenüber EU-weiten Regelungen andererseits den weiteren Diskurs prägen werden.
Schließlich zeigt sich innerhalb der Wahlprogramme eine widersprüchliche Konfrontation von Asylrecht und Gefahrenabwehrrecht. Eine Abkopplung des Bereichs Migration vom BMI, wie die Linke sie fordert (Linke/Entwurf, 53), könnte diese fatale Perspektive verschieben. Dabei bedürfte es einer verstärkten Auseinandersetzung mit der Tatsache, dass weitere schutzsuchende Menschen in Deutschland ankommen (werden) und entsprechend strukturelle Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen. In diesem Sinne müssen Asylrecht und soziale Fragen zusammengedacht werden.
Soziale Rechte und Abschiebungen
Nahezu alle Parteien betonen in ihren Wahlprogrammen die Notwendigkeit von Abschiebungen. Die Grünen halten fest, dass die »freiwillige Rückkehr« Vorrang habe. Die Priorität wollen sie bei der Abschiebung von Menschen legen, »die schwere Straftaten begangen haben« (Grüne, 130). Auch die SPD betont, dass »freiwillige Ausreisen« »humaner« seien (SPD, 56). Sie setzt daneben auf »rasche wie konsequente Abschiebungen, insbesondere bei Straftätern« (SPD, 56). Einzig die Linke formuliert abschiebungskritische Positionen. Sie lehnt »Abschiebungen, insbesondere in Krieg, Verfolgung und Elend oder als Form der Doppelbestrafung« ab (Linke, 53). Die Grünen fordern einen bundesweiten Abschiebestopp in den Iran und von Êzîd:innen (Grüne, 151f.).
Die AfD fordert in ihrem Programm eine »umfassende Rückführungsoffensive« (AfD, 106). Sprachlich nutzt die Partei damit die gleiche Formulierung, die sich auch bereits im Ampel-Koalitionsvertrag findet. Darin war bereits der Start einer »Rückführungsoffensive« angekündigt worden (KoaV 2021, 140). Die AfD sieht allerdings in der bisherigen Praxis ein »Rückführungsversagen« sowie ein migrationspolitisches »Staatsversagen« (AfD, 106). Die Partei möchte alle Bleiberechtsregelungen, darunter Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung sowie das Ende 2022 eingeführte Chancenaufenthaltsrecht, abschaffen (AfD, 106f.). Sie möchte zudem eine »konsequente Ahndung der Abschiebeverhinderung durch NGOs«, ohne dies näher zu erläutern (AfD, 107). Damit spricht sie eine Drohung gegenüber all jenen Menschen aus, die von Abschiebung gefährdete Personen solidarisch begleiten. Einen Schwerpunkt möchte die AfD bei geflüchteten Menschen aus Syrien legen. Die Partei kündigt an, die Abschiebung aller nicht mehr schutzberechtigten Personen aus Syrien einzuleiten sowie Widerrufsverfahren für subsidiär schutzberechtigte Syrer:innen einleiten zu wollen (AfD, 108).
Die CDU/CSU kündigt an, ein umfassendes Gesetz zu erarbeiten, »um die Zahl der Rückführungen zu steigern«. Zudem soll die europäische Grenzschutzagentur Frontex unterstützt werden, um die Zahl der Abschiebungen weiter zu erhöhen. Damit macht die Union deutlich, dass sie neben nationalen Vorschlägen auch die europäische Dimension von Abschiebungspolitiken berücksichtigt. Die Union betont zudem regelmäßig nach Afghanistan und Syrien abschieben zu wollen, vorrangig vorbestrafte sowie als »Gefährder« eingestufte Menschen (CDU/CSU, 41). Nach Syrien wird seit 2012 nicht mehr abgeschoben. Nach Afghanistan wurde seit der Machtübernahme der Taliban im Sommer 2021 bisher nur ein einziger Sammelcharter im August 2024 durchgeführt.
Die Unionsparteien machen in ihrem Programm auch verfassungswidrige Vorschläge. Menschen, die vorbestraft und ausreisepflichtig sind oder als »Gefährder« eingestuft werden, will die Union in einen »zeitlich unbegrenzten Ausreisearrest« nehmen, bis die Betroffenen ausreisen oder abgeschoben werden (CDU/CSU, 41). Die CSU geht hier noch weiter und formuliert in Bezug auf ausreisepflichtige Personen, die zuvor eine Haftstrafe abgesessen haben: »Wer nicht abgeschoben werden kann, muss in diesen Fällen in unbefristete Abschiebehaft genommen werden können.« (CSU, 10)
Der Freiheitsentzug ist einer der schärfsten staatlichen Grundrechtseingriffe überhaupt. Solche Vorschläge aus der Union sind unverhältnismäßig. Dass die Union solche Forderungen trotz Verfassungswidrigkeit tatsächlich umsetzen könnte, zeigte sich in dem oben erwähnten Entschließungsantrag der Unionsfraktion im Bundestag, der Ende Januar 2025 gemeinsam mit den Stimmen von FDP, AfD und einigen fraktionslosen Abgeordneten beschlossen worden ist.
Die Unionsparteien sprechen zudem davon, dass sie »zugewanderten Antisemitismus« bekämpfen wollen. Dafür schlagen sie vor, dass »eine antisemitische Straftat auch zu einem Verlust des humanitären Schutzes in Deutschland und zur Abschiebung führt« (CDU/CSU, 44). Durch die begriffliche Formulierung negiert die Union in der deutschen Gesellschaft bestehenden Antisemitismus und schiebt diesen einseitig neu zuwandernden oder flüchtenden Menschen zu.
Die beiden Unionsparteien wollen auch an die Sozialleistungen herangehen. Ähnliche Vorschläge macht die FDP. Sozialleistungen für ausreisepflichtige Menschen sollen laut Union »an dem von Gerichten aufgestellten Grundsatz »Bett, Brot und Seife« ausgerichtet werden (CDU/CSU, 41). Dort, wo möglich, will die Union auch »einen gänzlichen Leistungsausschluss« vorsehen. Die FDP will Menschen, die ausreisepflichtig sind und die eine zumutbare Möglichkeit zur Ausreise haben oder die ein »Identitätsfeststellungsverfahren aktiv behindern«, »keine staatliche Unterstützung mehr« zukommen lassen (FDP, 27). Diese Vorschläge sind nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Schon 2012 hatte das Bundesverfassungsgericht in einem Grundsatzurteil festgehalten, dass die Menschenwürde migrationspolitisch nicht zu relativieren sei. Ein Ausschluss von Leistungen auf null widerspricht dieser Menschenwürdegarantie.
Die Unionsparteien greifen auch zentrale Rechtsschutzgarantien für Geflüchtete an. Die CSU will »Gerichtsverfahren zur Überprüfung von Asylentscheidungen auf das verfassungsrechtliche Minimum« begrenzen. Der »individuelle Klageanspruch« soll entfallen (CSU, 10). Dabei ist zu beachten, dass jede negative behördliche Asylentscheidung mit einer Abschiebungsandrohung oder -anordnung einhergeht. Würden hier Rechtsschutzmöglichkeiten vollständig entfallen, wären Ausreisepflichten sofort nach Bestandskraft einer behördlichen Entscheidung auch zwangsweise umsetzbar und nicht mehr durch unabhängige Gerichte überprüfbar.
Das Wahlprogramm des BSW enthält in Bezug auf Migration und Flucht eine extrem pauschalisierende Sprache und viele nicht zutreffende Vorannahmen. Die Partei schreibt, dass Bürgergeld werde »immer mehr zur Flüchtlingskasse« (BSW, 33). Einzelne Bevölkerungsgruppen werden im Wahlprogramm des BSW gegeneinander ausgespielt. Die Partei spricht davon, dass »der unkontrollierte Zustrom von Menschen, über deren Biografie, Integrationsbereitschaft und Einstellung man sehr wenig weiß, ein Sicherheitsrisiko« sei (BSW, 33).
Das BSW zeigt sich bereit, das Grundgesetz zu ändern, um das Asylrecht einzuschränken. Dem Programm zufolge sollen »kriminelle Flüchtlinge ihren Anspruch auf ein Asylverfahren in Deutschland verlieren« (BSW, 33) Lediglich, wenn einem Asylsuchenden nach der Abschiebung die Todesstrafe droht, soll nicht abgeschoben werden (ebd.).Hierdurch macht das BSW deutlich, dass es den primär durch die Gerichte ausgeprägten Abschiebungsschutz bei drohender Folter oder drohender erniedrigender und unmenschlicher Behandlung deutlich einzuschränken gedenkt.
Das BSW fordert, sich bei Abschiebungen auf bestimmte Gruppen von Menschen zu konzentrieren. Genannt werden Menschen, »die noch nicht integriert sind oder sich gar nicht integrieren wollen.« (BSW, 34) Damit richtet sich die Partei, wie andere ebenso, stark an Nützlichkeitskriterien aus.
Während die Grünen in ihrem Wahlprogramm betonen, dass sie weiterhin zum Kirchenasyl stehen (Grüne, 129), will die AfD das Kirchenasyl abschaffen und die bisher bestehenden Vereinbarungen zwischen den Kirchen und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aufkündigen (AfD, 107). Die übrigen Parteien äußern sich hierzu nicht. Über Schutzräume in Kirchenasylen werden geflüchtete Menschen vor Abschiebungen geschützt, um eine Neubewertung der Behördenentscheidungen zu ermöglichen. Vielfach betrifft dies Menschen im europäischen Dublin-Verfahren, das regelt, welcher europäische Staat für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist. Im Dezember 2024 war eine Petition mit 74.000 Unterschriften zum Schutz des Instituts des Kirchenasyls an die Innenminister:innenkonferenz übergeben worden.
Während die Zuständigkeit für Abschiebungen im föderalen Staat bisher bei Ländern und Kommunen liegt, will die FDP dies auf Bundesebene zentralisieren (FDP, 27). Die Unionsparteien fordern »Bundesausreisezentren« (CDU/CSU, 41), ohne näher zu definieren, was damit gemeint ist. Anzumerken ist zu diesen Forderungen, dass die Bundesrepublik aus guten Gründen föderal organisiert ist. Zentralisiert ausgeübte und organisierte staatliche Gewalt soll verhindert werden. Diesem Ansatz würde eine Zentralisierung von Zuständigkeiten für Abschiebungen auf Bundesebene widersprechen.
Analyse und Ausblick
In der Zusammenschau zeigt sich, dass die CDU/CSU, getrieben von der AfD und letztlich unterstützt von den Ampel-Parteien, nach Jahren kontinuierlicher, aber schrittweiser Verschärfungen den Versuch macht, ein neues Niveau asyl- und migrationspolitischer Repression durch einen harten Bruch mit grundrechtlichen Prinzipien zu erreichen. Nicht länger werden die asylpolitischen Abwehrkämpfe um einzelne Verschlechterungen geführt werden müssen. Das Ziel der Abschaffung individueller Grundrechte auf Asyl und Schutzgewährung in Deutschland wird in den Wahlprogrammen von AfD und CDU/CSU sowohl offen als auch indirekt artikuliert. Ob die wahrscheinlichen Koalitionspartner der Union, die SPD oder womöglich doch die Grünen, innerhalb von Koalitionsverhandlungen und Regierungspraxis wirksam widersprechen werden, hängt zentral von zivilgesellschaftlichen Akteur*innen und außerparlamentarischen Bewegungen ab. Im Kampf zur Verteidigung des Grundrechts auf Asyl wird nach der Bundestagswahl eine neue, gefährliche Phase beginnen.
Fabian Georgi / Sebastian Rose / Bo Winter
Wahlprogramme
AfD: Zeit für Deutschland. Programm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum 21. Bundestag.
BSW: Unser Land verdient mehr! Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2025.
CDU/CSU: Politikwechsel für Deutschland. Wahlprogramm von CDU und CSU.
FDP: Alles lässt sich ändern. Das Wahlprogramm der FDP zur Bundestagswahl 2025.
Grüne: Zusammen Wachsen. Regierungsprogramm 2025. Entwurf des Bundesvorstandes.
SPD: Mehr für Dich. Besser für Deutschland. Regierungsprogramm der SPD für die Bundestagswahl 2025.