Amtsgericht Bonn: Verurteilung von PazifistInnen

Amtsgericht Bonn: Serienmäßige Verurteilungen von Pazifisten

Am 14. Februar 2017 hat das Amtsgericht Bonn erneut zwei Aktivisten aus der Friedensbewegung wegen einer Aktion auf dem Truppenübungsgelände Altmark in der Colbitz-Letzlinger Heide (Sachsen-Anhalt) im Jahre 2015 zu einer Geldbuße von jeweils 100 bzw. 400 Euro verurteilt. Schon zuvor waren im Januar und Februar drei weitere PazifistInnen vom Amtsgericht zu Geldbußen verurteilt worden. Alle hatten gegen die verhängten Bußgeldbescheide wegen Betretens militärischen Geländes Einspruch eingelegt. Nun werden zumindest einige die rechtliche Auseinandersetzung vor das Oberlandesgericht Köln tragen. Bereits am 27.3.2017 werden vor dem Amtsgericht Bonn zwei weitere Fälle in derselben Sache verhandelt.

Ingrid Fröhlich-Groddeck, geboren 1937, betonte in ihrer Verhandlung am 9.2., dass sie noch von der NS-Zeit und dem Krieg geprägt sei. Deshalb fühle sie sich verpflichtet, Widerstand gegen aktuelle völkerrechtswidrige Kriege zu leisten. Sie erinnerte an die seinerzeit verurteilten Pazifisten Ludwig Quidde und Carl von Ossietzky. Eigentlich müsste eine wirklich unabhängige Justiz selbst gegen die Kriege der Bundeswehr einschreiten, da schon die Vorbereitung von Angriffskriegen verboten sei. Dennoch schütze die Justiz die widerrechtlichen Kriege, so dass die BürgerInnen zum Schutz von Grundgesetz und Völkerrecht tätig werden müssten. Richterin Dr. Verheyden machte deutlich, dass sie es für legitim halte, Sorgen und Ängste zu haben, allerdings sei der Rechtsstaat noch funktionierend, so dass Gesetzesübertretungen illegitim seien.

Am 14. Februar verhandelte nun Richterin Ranscht gegen Heinz Wittmer und Pfarrer Berthold Keunecke. Wittmer machte deutlich, dass die Aktion der Gruppe auf dem Gefechtsübungszentrum angemessen und geeignet gewesen sei, um gegen rechtswidrige Kriege einzuschreiten. Auch Keunecke berief sich auf den „rechtfertigenden Notstand“, der gemäß Ordnungswidrigkeitenrecht Handlungen zulasse, um rettend in ein Geschehen einzugreifen. Durch die völkerrechtswidrigen Kriege befinde er sich sowohl im inneren wie äußeren Notstand, da er einerseits als Bürger Mittäter des rechtswidrigen Handelns werde und zum anderen die Opfer der Kriege schützen müsse.

Richterin Ranscht zeigte sich zwar verständnisvoll, weigerte sich jedoch, überhaupt die Völkerrechtswidrigkeit der aktuellen Kriege zu überprüfen. Pauschal lehnte sie die vorgetragenen Rechtfertigungsgründe ab, indem sie den Aktionen die Geeignetheit zur kompletten Beendigung der Kriege absprach. Martin Singe vom Grundrechtekomitee wandte sich gegen die Urteile und bemerkte: „ Laut Artikel 25 Grundgesetz sind alle Bürger unmittelbar verpflichtet, für die Einhaltung des Völkerrechts einzutreten. Ziviler Ungehorsam muss prozesshaft verstanden werden, um seine Geeignetheit zur Abwehr schweren völkerrechtlichen Unrechts zu begreifen. Schon Horst Schüler-Springorum hatte angesichts der Mutlangen-Blockaden darauf verwiesen, dass 'kein Schutzgut, um das es zivilem Ungehorsam geht, … durch ihn selbst unmittelbar gerettet werden' könne. Es müsse genügen, dass die Handlung – wenn auch nicht 'rettungsfinal' – geeignet sei, das Schutzgut retten zu können bzw. die akute Gefährdung zu mindern. Dies werde durch die Aktionen der FriedensaktivistInnen allemal erreicht, wenn man zivilen Ungehorsam als Beitrag im politischen Prozess zur Überwindung rechtswidriger Handlungen der Regierenden versteht.“ Immerhin waren die Manöver der Bundeswehr auf dem Gefechtsübungszentrum während der Aktionswoche ausgesetzt worden.

Martin Singe