Am heutigen Dienstag, 17.1.2017, hat das Amtsgericht Bonn einen Aktivisten aus der Friedensbewegung wegen einer Aktion auf dem Truppenübungsgelände Altmark in der Colbitz-Letzlinger Heide (Sachsen-Anhalt) zu einer Geldbuße von 400 Euro verurteilt. Gerd Büntzly aus Herford hatte am 1.8.2015 mit einer kleinen Gruppe auf dem Gefechtsübungszentrum der Bundeswehr eine Friedensaktion veranstaltet. Vier der Beteiligten hatten gegen die Bußgeldbescheide Einspruch eingelegt. Ihnen wird gemäß Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) § 114 vorsätzliches „Betreten militärischer Anlagen“ vorgeworfen. Das Verteidigungsministerium war in der Verhandlung durch das „Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr“ mit Sitz in Bonn vertreten.
Büntzly machte in seiner Verteidigungsrede deutlich, inwiefern auf dem betretenen Militärgelände Angriffs- und Interventionskriege der Bundeswehr vor allem zur Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen vorbereitet werden. Dass die Bundeswehr seit Jahren völkerrechtswidrige Angriffskriege führt, müsse auch gerichtlich endlich festgestellt werden. In der für über 140 Millionen Euro neu erbauten Geisterstadt Schnöggersburg mit 500 Gebäuden werde der Häuserkampf geübt. Alle Truppen, die in Auslandseinsätze geschickt werden, würden hier zunächst trainieren und Manöver abhalten. Da sich die Regierung gegen jeden rechtlichen Widerspruch gegen ihre Kriegsstrategien immunisiert habe, blieben nur noch Aktionen zivilen Ungehorsams, um gegen das offensichtliche Unrecht vorzugehen. Um gegen die Macht der Gewalt und der Waffen vorzugehen, sei es nötig, ungerechte Gesetze zu brechen, so Büntzly.
Der nicht unfreundliche, aber extrem pragmatisch argumentierende Richter Dr. Facius wollte sich nicht in die Rechtsmaterie begeben, sondern verdeutlichte, dass er sich an die obergerichtliche Rechtsprechung halten werde, die Rechtfertigungsgründe für solche Aktionen nicht anerkenne. Er riet dem Angeklagten, doch besser Flyer zu drucken, als das Geld dem Staat zu geben, der damit die Bundeswehr unterstütze. Wenn er das Vorgehen der Bundeswehr für rechtswidrig halte, solle er mit gutem Beispiel vorangehen, auf dem Rechtsweg bleiben und Veränderungen auf politischem Wege versuchen. Da Büntzly selbst nicht von einer unmittelbaren Gefahr bedroht sei, habe er kein Recht zum Widerstand.
Martin Singe, der den Prozess für das Grundrechtekomitee beobachtete, meinte anschließend: „Es ist höchst bedauerlich, dass sich der Richter nicht mit dem rechtfertigenden Notstand (§ 16 OWiG) auseinandergesetzt hat, der auch bei Eingreifen in Notstandslagen für andere gilt. Die permanenten Angriffskriege bedeuten unmittelbare Gefahren für eine Vielzahl von Menschen. Ziviler Ungehorsam ist ein geeignetes Mittel, um politische Prozesse zur Überwindung der Angriffsmentalität der Bundesregierung einzuleiten.“
Bußgeldverfahren gegen größere Gruppen von Aktivist*innen wegen Aktionen aus dem Jahr 2014 waren im letzten Jahr eingestellt worden bzw. durch Verjährung gegenstandslos geworden. Ein früherer Bußgeldbescheid blieb unterhalb der Widerspruchsgrenze. Die aktuell verhängten Bußgeldbescheide sind so hoch, dass der Gang zu den Obergerichten möglich wird – und genutzt werden sollte.