Mit Münster, Willich und Köln werden allein in Nordrhein-Westfalen aktuell mehrere neue Gefängnisse geplant oder gebaut, auch das geplante Ausreisegewahrsam in Düsseldorf steht weiterhin auf der politischen Agenda. Wir müssen also feststellen, dass sich entgegen unserem Wunsch und Bemühen, Gefängnisse perspektivisch abzuschaffen und zunächst wenigstens zurückzudrängen, ein gegenteiliger Trend fortsetzt.
In Münster, Köln-Ossendorf und Willich sollen die aktuellen Gefängnisse jeweils durch einen Neubau ersetzt werden. Das mag hinsichtlich der konkreten Lebensbedingungen eine Verbesserung sein, ist der Zustand der Zellen der JVA Ossendorf aus dem Jahr 1969 doch seit Jahren dramatisch schlecht. Aufgrund von Asbest- und anderer Schadstoffbelastung sind viele Zellen nicht mehr nutzbar, es wird auch von Ratten, Kakerlaken und Schimmel berichtet.
Dazu kommt, dass die Größe der jetzigen Einzelzellen mit 8,5 Quadratmetern nicht einmal den gesetzlichen Mindestvorgaben entspricht. Im geplanten Neubau sollen die Zellen zwei Quadratmeter größer sein, außerdem soll es in allen Zellen Warmwasser und separat abgetrennte Toiletten geben und perspektivisch auch ein Telefon. Die aufgeführten Veränderungen vermitteln bereits eine Ahnung von den unhaltbaren Haftbedingungen.
Über die Entledigung baulicher und rechtlicher Mängel hinaus bietet der Neubau allerdings keine Verbesserungen. Er soll mit 1000 geplanten Plätzen nur um 100 Plätze kleiner sein als der aktuelle Bau. Damit bleibt die JVA Ossendorf eine der größten in Deutschland. Erfahrungsgemäß werden existierende Haftplätze belegt und stehen nicht leer. Jeder Gefängnis-Neubau trägt daher zur weiteren Verstetigung der Konzepte Knast und Freiheitsstrafe bei.
Am 13. Juni haben wir auf einer Veranstaltung in Köln mit Thomas Galli über die gesellschaftlichen Ursachen und Folgen der Institution Gefängnis und dem Bedürfnis nach Strafe diskutiert. Seine Position, dass Gefängnisse niemandem nützen und deshalb abgeschafft gehörten, erhält aufgrund seiner Erfahrungen als ehemaliger Gefängnisdirektor regelmäßig eine große öffentliche Aufmerksamkeit. Galli argumentiert dabei unter anderem, dass Gefängnisse Gewalttaten nicht verhindern können, sondern nur sanktionieren.
Die Gewalt ausübende Person habe in der Haft nämlich keine Chance, zu lernen oder Verhaltensweisen zu ändern. Auf der Veranstaltung, die mit über hundert Zuhörer*innen sehr gut besucht war, wurden viele Fragen aufgeworfen; die Positionen waren vielfältig und teilweise konträr.
Ein Diskussionsstrang drehte sich um die Frage, ob Reformen, also konkrete Verbesserungen im Haftalltag, Abhilfe schaffen könnten; so ging es zum Beispiel um die Aufgaben von Justizangestellten und Seelsorge.
Andere stellten fest, dass die Existenz von Gefängnissen dazu diene, sich als Gesellschaft weder mit den gesellschaftlichen Gründen für Gewalt, noch mit den Ursachen gesellschaftlicher Ungleichheit beschäftigen zu müssen und statt dessen einzelne Personen als „Schuldige“ aus der Gesellschaft ausgeschlossen und weggesperrt würden.
Das Gefängnis diene anderen zufolge der Verwaltung der Armutsbevölkerung, die überproportional und wegen meist kleinerer Delikte einsitzt. Weiterhin wurde über die Verbindung von Knast und Strafen zu Justiz und Polizei gesprochen und mögliche Alternativen diskutiert, in denen die gesamte Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen habe.
Die lebhafte Diskussion an dem Abend zeigte, dass ein hohes Interesse an den Fragen rund um die Abschaffung des Gefängnisses herrscht, und was es anstelle von Haft und Strafe eigentlich sinnvoll bräuchte. Klar wurde auch, dass die Auseinandersetzung um alle diese Fragen ein fortdauernder Prozess ist.
Das Podiumsgespräch zwischen Thomas Galli und Britta Rabe wurde aufgezeichnet, nicht allerdings die sich anschließende lange und lebhafte Diskussion, in der viele verschiedene Aspekte und offene Fragen angesprochen worden sind. Wir hatten uns wie stets gegen eine Aufzeichnung der sich anschließenden offenen Diskussion entschieden, weil Menschen sich dann erfahrungsgemäß wohler fühlen und sich ungezwungener zu sprechen trauen.
Die Video-Aufzeichnung ist hier zu finden: Video bei YouTube
Der Audiomitschnitt von Radio Nordpol ist hier zum nachhören
Eine Veranstaltung des Komitees für Grundrechte und Demokratie e.V. zusammen mit dem Friedensbildungswerk, der Karl-Rahner-Akademie, der Initiative „Gruppe zur Aufklärung über Gefängnisse“ und dem Servicebüro für Täter-Opfer-Ausgleich und Konfliktschlichtung des DBH e.V.