Ein achtjähriges Mädchen, das sich am Flughafen im Polizeitransporter festklammert. Nachfahr*innen von NS Opfern. Ein junger Mann, dem die Ausländerbehörde jahrelang die Erlaubnis für eine Ausbildung verweigert und ihn zur „freiwilligen Aus reise“ drängt, damit er „auf dem korrekten Weg“ wieder einreist, um seine Ausbildung beginnen zu dürfen. Eine in Deutschland geborene und aufgewachsene junge Romni mit einer geistigen Behinderung. Ein Oppositioneller, der nach seiner Abschiebung nach Tadschikistan zu sieben Jahren Haft verurteilt wird. Ein suizidgefährdetes Folteropfer, das wochenlang in Abschiebehaft gesteckt wird.
Sie und viele weitere Menschen gerieten in den vergangenen Jahren in das Visier nordrhein-westfälischer Ausländerbehörden. Allein 2023 schoben diese über 3.300 Menschen aus Nordrhein-Westfalen ab. Bei vielen tausend weiteren Menschen bemühten sich die Behörden um deren Abschiebung. Um diese Menschen geht es in dem Buch „Abschiebungen in Nordrhein-Westfalen. Ausgrenzung. Entrechtung. Widerstände“, das im Rahmen unseres Projekts Abschiebungsreporting NRW verfasst worden ist.
Die Dokumentation zeigt auf, dass es sich bei Abschiebungen von Familien mit Kindern, von Menschen in Ausbildung oder in Arbeit, von schwer erkrankten Personen oder von in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Menschen keineswegs um „Ausnahmen“ oder „Einzelfälle“ handelt. Vielmehr sind diese Abschiebungen und Abschiebeversuche eine etablierte und strukturelle Praxis, die wiederum das Ergebnis einer verhärteten nordrhein-westfälischen wie bundesdeutschen Abschiebepolitik ist. Umgesetzt wird diese Praxis von einem im Laufe der Jahre immer weiter ausgebauten, weit verzweigten behördlichen Verwaltungsapparat. Tausende Menschen sind nur damit beschäftigt, Abschiebungen zu organisieren. Insgesamt sind in dieser Publikation rund 110 Fälle von drohenden, versuchten und vollzogenen Abschiebungen durch etwa 50 der 81 nordrhein westfälischen kommunalen Ausländerbehörden sowie der fünf teils allein zuständigen, teils unterstützend agierenden Zentralen Ausländerbehörden erfasst – mal knapp angerissen, mal sehr umfassend nachgezeichnet.
Mit der „Reform“ des Europäischen Asylsystems und dem neuen „Rückführungsverbesserungsgesetz“ wird diese auf Gewalt, Abwehr und Abschottung setzende Politik, in der hunderttausende Menschen permanent in einem Status der Abschiebbarkeit festgehalten werden, nochmals deutlich verschärft.
Sebastian Rose/Sascha Schießl, Abschiebungen in Nordrhein-Westfalen. Ausgrenzung. Entrechtung. Widerstände, Köln 2024.
Die Publikation ist frei als PDF zugänglich unter www.abschiebungsreporting.de. Das Buch kann ab sofort auch in Print gegen Spende beim Abschiebungsreporting NRW bestellt werden: rose(at)abschiebungsreporting.de. Die Spendenempfehlung beträgt 10 €.
Projekt Abschiebungsreporting Bank für Sozialwirtschaft
DE57 3702 0500 0001 7873 01
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■ Sebastian Rose