Im November 1993 erließ die Bundesregierung ein Betätigungsverbot gegen die Kurdische Arbeiterpartei PKK. Das Verbot wurde kontinuierlich ausgeweitet und bis heute auf verschiedenste Vereine, Initiativen und Einzelpersonen angewandt.
Dass der deutsche Staat mit diesem Vorgehen auch die Interessen der autoritären Regierung in der Türkei bedient, wird relativ offen kommuniziert. Der Verein MAF-DAD e.V. (Verein für Demokratie und internationales Recht) lud am 18. und 19. Juli 2022 unter dem Motto „28 Jahre PKK-Betätigungsverbot. Jetzt reden wir!“ zu einem Forum in Berlin ein, um die schwerwiegenden Folgen für Kurd*innen in Deutschland kritisch zu reflektieren.
Veranstaltet wurde die Konferenz gemeinsam mit der European Association of Lawyers for Democracy & World Human Rights (ELDH), dem Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., dem Rechtshilfefonds AZADÎ e.V. und der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ). Die Unterstützung der Veranstaltung war uns wichtig, da wir uns schon seit Langem kritisch mit dem PKK-Verbot und seinen Folgen auseinandersetzen. Rund 300 Gäste nahmen an dem Forum teil.
Zunächst berichteten vor allem Betroffene von den unterschiedlichen Repressionsmaßnahmen. Mehmet Demir, der langjährige Vorsitzende des ehemaligen kurdischen Dachverbandes YEK-KOM, sprach etwa über das Düsseldorfer Mammutverfahren, das von 1989 bis 1994 gegen mehrere kurdische Aktivist*innen geführt wurde. „Wir Kurd*innen hatten damals angefangen, uns zu organisieren. Mit dem Prozess wollten sie unsere Strukturen vernichten“, sagte Demir.
Kurdische Aktivist*innen aus verschiedenen Städten berichteten dazu eindrücklich, wie ihnen aufgrund ihres Engagements der Aufenthaltsstatus aberkannt wurde. Ihr „Vergehen“: Sie waren in legal tätigen Vereinen aktiv oder hatten sich an friedlichen Protesten beteiligt.
Inhaftierte sprachen wiederum von ihren Haftbedingungen in den Gefängnissen: Die Haftleitungen würden demnach politische Zeitungen, Bücher sowie private Briefe zurückhalten, für bestimmte Kurse gebe es Teilnahmeverbote. Auch nach Entlassung aus dem Gefängnis drohten Meldeauflagen und permanente Überwachung.
Am zweiten Tag setzten sich Expert*innen mit den juristischen Hintergründen des PKK-Verbots sowie möglichen Perspektiven auseinander. Ihr Resümee: Kurd*innen können viele der im Grundgesetz garantierten Rechte nicht voll ausüben, etwa das Versammlungsrecht oder das Vereinigungsrecht.
Da man nie genau wissen könne, ob bestimmte Handlungen oder Äußerungen dem Betätigungsverbot zugeordnet werden, sei zudem für die kurdische Community ein generelles Bedrohungsszenario entstanden. Dass es auch anders gehe, zeigte laut den Expert*innen dabei unlängst das oberste belgische Gericht: Dieses entschied, dass die PKK keine terroristische Organisation ist, sondern eine Partei in einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt.
Auch aus Sicht des Grundrechte komitees ist es notwendig, eine andere Bewertung der PKK vorzunehmen und die Kriminalisierung politisch engagierter Kurd*innen zu beenden. Das Verbot verstößt eklatant gegen die Versammlungs-, Vereinigungs-, Meinungs- und Medienfreiheit. Es kriminalisiert eine gesellschaftliche Minderheit auf politischer Grundlage sowie Unterstützer*innen, die daran etwas ändern wollen. Ein Ende des Verbots ist notwendig, um die demokratischen Grundrechte zu verteidigen.
Als Ergebnis der Veranstaltung ist ein gemeinsames Statement der Jury geplant, dass veröffentlicht werden soll.